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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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furchtbare Vergeltungsaktionen mitgemacht... Seine Einheit war gefürchtet... Sogar der Untergrundsender hat darüber berichtet... immer wieder...
      ANNE: Du wolltest sagen, was Julius Gassmann beschlossen hatte.
      HENRY: Ja... an Bord des Zerstörers... nachdem er gerettet war... Es war nicht seine Jacke, die er anhatte. Die Papiere, ich meine: die Listen waren untergegangen... er mußte neu registriert werden.
      ANNE: Unter anderem Namen?
      HENRY: Er fand Briefe in der Jacke... eine Blechschachtel mit Nähzeug, Briefe und einen Ausweis.
    ANNE: Mit Bild?
      HENRY: Eigentlich war es nur eine Bescheinigung - ohne Bild... eine Bestätigung, daß der Inhaber offiziell als Übersetzer anerkannt war... Die Briefe waren schwer leserlich.
      ANNE: Und das ging glatt? Natürlich, es mußte ja glatt gehen... sie hatten ihn aufgefischt.
      HENRY: Als sie ihn aufforderten, seinen Namen zu buchstabieren, legte er die Bescheinigung vor... Die Situation ließ keinen Argwohn zu... Er wurde neu registriert... Und dadurch ist er ihr entkommen.
      ANNE: Wem?
      HENRY: Seiner Vergangenheit... oder doch dem Teil seiner Vergangenheit, der ihn einiges befürchten ließ... das halbe Jahr, das er zu dieser Einheit gehört hatte.
      ANNE: Wieviel Selbstkontrolle gehört dazu...
      HENRY: Er richtete sich einfach ein in diesem angenommenen Namen... möblierte die neue Biographie... natürlich mußte er aufmerksam leben, seinen Willen anstrengen... aber dann, im Lager, passierte es, daß er zum ersten Mal - wie soll ich sagen - den angenommenen Namen träumte... im Traum erschien er sich selbst nicht mehr als Julius Gassmann... das war die erste Vereinigung, ja... so wurde die Vereinigung hergestellt.
      ANNE: Für die Zeit drüben... für die Gefangenschaft?
      HENRY: Stell dir vor, Anne, wir hatten eine Art LagerUniversität... dort in, Virginia... man konnte eine Menge Fächer belegen... Sogar ein gefangener Gerichtsmediziner hielt Vorlesungen in seinem Fach...
      ANNE: Gassmann vermutlich Sprachen...
      HENRY: Gassmann belegte Sprachen, so ist es... außer Englisch und Französisch auch Italienisch.
      ANNE: Sag bloß, Henry, daß er drüben auch sein Diplom erhielt.
      HENRY: Er erhielt es vom Prüfungsausschuß einer ame
    rikanischen Universität...
    ANNE: Und das hielt er aus? Das kann doch keiner aushalten.
    HENRY: Was?
      ANNE: Wann hat er sich wieder zurückverwandelt? In Julius Gassmann?
      HENRY: War es notwendig? Es ging sehr gut ohne ihn und ohne die Biologie... Ein gewisses Risiko gab es selbstverständlich... mit den Jahren aber wurde es geringer... Ja, Anne: der andere gefiel ihm... manchmal hatte er das Gefühl, eine lohnende Aufgabe übernommen zu haben... lebenslänglich... Es war, als hätte er der Zufälligkeit der Herkunft seine Wahl entgegengesetzt.
      ANNE: Aber seine Angehörigen ? Er hat doch Angehörige.
      HENRY: Vermißt... für sie gilt er als vermißt bei einem Schiffsuntergang.
      ANNE: Und seine neuen Angehörigen? Die, die er sich eingetauscht hat?
      HENRY: Einmal erhielt er eine Suchkarte vom Roten Kreuz... Er tat es als Mißverständnis ab.
      ANNE: Das sieht ihm ähnlich... Und bis heute, Henry, bis heute ist er dabei geblieben?
      HENRY: Ich sagte ja, er hatte das Gefühl, eine lebenslängliche Aufgabe übernommen zu haben.
      ANNE: Henry?
      HENRY: Ja?
      ANNE: Ich - wie soll ich ihn denn anreden? Herr Gassmann? Ich schätze, er hätte etwas dagegen.
      HENRY: Er heißt auch Henry.
      ANNE: So wie du?
      HENRY: Er heißt Henry Schaffer. - Julius Gassmann heißt jetzt Henry Schaffer.
      ANNE: Das ist nicht wahr!
      HENRY: Es ist wahr... Ja, Anne, es ist wahr.
      ANNE: Das hast du erfunden!
      HENRY: Julius Gassmann wird nicht kommen, weil er schon hier ist... Du wirst sehn: er wird nicht kommen... Glaubst du's nicht?
      ANNE: Nein, Henry, ich glaub dir nicht.
      HENRY: Ich kann dir die Briefe zeigen... und die Beschei
    nigung des Übersetzerverbandes...
      ANNE: Du kannst mir vieles zeigen: ich glaub dir nicht... Acht Jahre - du kannst doch nicht acht Jahre mit mir zusammenleben - unter anderem Namen.
      HENRY: Was wäre der Unterschied gewesen - für dich? Du hättest Julius zu mir gesagt... das wäre alles gewesen.
      ANNE: Du willst mich doch nur reinlegen - nicht, Henry ? Nur reinlegen willst du mich ?
      HENRY: Nein, Anne. Es war deine Idee... der Eisberg - die unbekannten Siebtel... Ich hab gesucht und gesucht...

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