Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen
Und du hast ihm was geliehen?
HENRY: Geschenkt... vorsorglich habe ich's ihm gleich geschenkt.
ANNE: Er konnte alles vergessen.
HENRY: Immerhin... Er hat mich umarmt... Ziemlich heftig sogar... Und er nannte mich einen noblen Schwiegersohn.
ANNE: Wir kannten ihn... und wußten viel zu wenig... Er sprach über alles nur in Andeutungen.
HENRY:... wenn es nicht um Summen ging.
ANNE: Deshalb erfuhren wir nichts von seinen Schwie
rigkeiten... Nur manchmal, wenn er glaubte, uns eine Pleite erklären zu müssen... Sie wollen mich fertigmachen, sagte er dann - der große Jacobson will mich mit allen Mitteln fertigmachen.
HENRY: Eine Zigarette, Anne?
ANNE: Mit keinem Wort erwähnte er, daß er seine Höhle
längst verkauft hatte... nein, danke... Daß ihm nichts mehr gehörte außer seiner Leidenschaft.
HENRY: Also hatte Jacobson es geschafft.
ANNE: Jacobson hatte den Laden gekauft, ja... Vater durfte als Geschäftsführer bleiben... so eine Art Geschäftsführer... na, du weißt schon...
HENRY: Und ihr? Ihr wußtet das alles nicht?
ANNE: Wir wußten nichts... Wir erfuhren nur, daß da etwas Großes, Übles im Gange sei... eine Treibjagd, die Jacobson veranstalten ließ... auf Vater... Jacobson - du hättest hören sollen, wie er diesen Namen aussprach... mit welcher Erbitterung.
HENRY: Das Telephon...
ANNE: Du brauchst nicht ranzugehn... Leitungsreparaturen. Sie haben sich im voraus entschuldigt.
HENRY: Ich dachte schon, einer würde absagen.
ANNE: So spät?... Siehst du, es ist still... So spät kann man doch wohl nicht mehr absagen... Jacobson... wenn sein Name fiel, sah ich ihn hinter Vaters Stuhl stehen, riesig, eine Schlinge in der Hand... er war einfach da.
HENRY: Vermutlich ist er klein und zart... dein Gast.
ANNE: Und als es passierte...
HENRY: ...mit Jacobson...
ANNNE: ... mit Vater... du warst auf diesem ÜbersetzerKongreß in Belgrad... am Schrank... Er hatte sich am Schrank erhängt... Als sie mir die Nachricht brachten... als ich ihn dann sah... Oh, Henry... er sah so gehetzt aus, auch im Tod, so gehetzt und schäbig... . Vielleicht hättest du es auch getan.
HENRY: Was, Anne?
ANNE: Ich versprach mir etwas... als ich ihn so sah, schwor ich mir etwas...
HENRY: Sühne.
ANNE: Mit diesem Tod wollte ich mich nicht abfinden. Von mir aus nenn es Vergeltung. Du warst weg... Es gab nur einen einzigen Gedanken... Dann, am Abend, nahm ich deine Pistole.
HENRY: Sie war geladen. Und mit dem Ding in der Handtasche fuhrst du zu ihm nach Hause.
ANNE: Zuerst nach Hause... dann ins Büro... Er war noch im Büro und arbeitete... Er war allein.
HENRY: Kanntest du ihn? Ich meine: wart ihr euch begegnet - vorher?
ANNE; Wir machten uns bekannt... Er war schnell im Bilde... er begriff... du wirst ihn ja kennenlernen... du wirst erleben, daß er selten nachfragt... Ich sagte ihm, warum ich gekommen sei...
HENRY: Und die Folgen... hattest du nicht an die Folgen gedacht?
ANNE: Ja, Henry. Ich hatte - seltsamerweise - an die Folgen gedacht... Notwehr... ich wollte so vorgehen, daß alles wie Notwehr ausgesehen hätte... Es gab keine Zeugen... es war Abend... wir waren allein in seinem Büro... ich hätte in Notwehr gehandelt... obwohl...
HENRY: Obwohl?
ANNE: Er wirkt noch älter, als er ist... ein zarter Mann... müdes Gesicht... müde Beine.
HENRY: Unterschätz diesen Typ nicht. Und weiter?
ANNE: Er ist nur die Hälfte von mir... ein sehr zarter Mann. Vielleicht hätte man mir die Notwehr auch nicht geglaubt. Doch ich wollte dabei bleiben... Ich hab es ihm auch gesagt.
HENRY: Du hast es ihm gesagt, Anne?
ANNE: Er sollte alles wissen... warum ich gekommen war... wie es ausgehen würde... alles gesagt, ja... Und er ließ mich aussprechen... er nickte und hörte mir zu.
HENRY: Was sollte er anderes tun? Fand er es nicht freundlich von dir?
ANNE: Freundlich? Was?
HENRY: Daß du ihn nicht im Unklaren darüber ließest... warum du ihn töten wolltest? Ich meine, man kann auch ohne
Erklärungen schießen.
ANNE: Deine Ironie, Henry... ich glaube, sie ist unangebracht... Vaters Tod... er hatte Schuld an Vaters Tod... er hat ihn fertiggemacht... ich hab es ihm gesagt... und ich sagte ihm auch, daß ich ihn töten würde.
HENRY: Da du ihn eingeladen hast: offensichtlich hat er es überlebt.
ANNE: Traust du es mir nicht zu? Du glaubst wohl
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