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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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sie brennende Teerspritzer von unseren nackten Schultern rieb; widerwillig übrigens und mit gehörigem Abstand.
    Die Frau:
    Das alles blieb in seiner Annonce unerwähnt: die Abgelegenheit hier; der ständige Wind, der auf die Schläfen drückt; der Flugsand, der auch bei geschlossenen Fenstern ins Haus dringt; das Fehlen eines Badezimmers; und nicht zuletzt er selbst, Johannes Willesen: seine Pedanterie, seine herrische Schweigsamkeit, die verdammte Genügsamkeit, die er schon fand, wenn er steif auf dem unbequemen Stuhl am Fenster hockte. Da er es sich nicht aus der Hand nehmen ließ, das Haus zu führen - nicht einmal nach unserer sogenannten Hochzeit war er bereit, mir mehr von den monotonen Pflichten hier zu überlassen -, hatte ich manchmal das Gefühl, daß er mich nur deshalb auf die Halbinsel geholt hatte, weil meine Gegenwart sein Haus komplettieren sollte wie ein unentbehrliches Möbel. Ein Gefühl zu zeigen, erschien ihm offenbar als Zeitvergeudung, und ich hätte ihn mitunter schütteln können vor Verlangen, ein Wort der Zustimmung zu erfahren oder auch nur eine Geste der Unzufriedenheit. Mein Verhältnis zu ihm war nur ein bißchen vertrauensvoller als das zum großen Eßtisch. Mein Gott, und seine Geschenke: zwar schleppte er immer etwas an, wenn er für einen Tag in die Kreisstadt mußte, aber die Dinge, die er mir stumm überreichte, konnte ich allesamt nur in eine Schachtel legen: mehrere wollene Kopftücher, einen überlangen Schal, der jeden Mantel entwertet, eine klotzige Bernsteinkette, die sofort Nackenschmerzen hervorrief, oder - obwohl ich ihm meine Sammlung von Gürteln gezeigt hatte - diesen bestickten Leibgurt aus Leinen, der allenfalls zum Trachtenkostüm einer Siebzigjährigen gepaßt hätte. Daß er eines Gefühls fähig war, bewies er dann aber doch, als die Entscheidung über den Fährhafen fiel: er, der keinen Wert auf Besuch legte, lud sich zwei Männer ins Haus, die mich lediglich mit gehemmter Freundlichkeit begrüßten und dann in seiner Kammer verschwanden, wo sich bald ein Lärm erhob wie in einem vollbesetzten Lokal. Ich durfte ihnen von Zeit zu Zeit heißes Wasser bringen für ihren Grog - Pausen, in denen der Lärm sich wie auf Stichwort legte und in denen sie selbst mich belustigt und zudringlich anstarrten; da fühlte man sich von ihren Augen ausgezogen. Sven nahm nicht daran teil; er war wie immer bei seiner Lieblingsbeschäftigung: auf dem Bett liegen, nur im Turnhemd und in seinen karierten Hosen, und rauchen. Manchmal sagten sie mir, daß ich zuviel rauchte, aber nachdem der Junge nach Hause gekommen war - zur Zeit, doch ohne daß man ihn gerufen hätte -, brachte er uns bei, daß man bei einem wirklich leidenschaftlichen Raucher kaum mit dem Lüften nachkommt. Obwohl wir anfangs kaum miteinander sprachen, empfand ich seine Anwesenheit als Erleichterung. Ich weiß noch, wie er hinter der zerzausten Hecke auftauchte, im schwarzen Hemd mit den hellen, karierten Hosen; er hatte einen dünnen, vernickelten Eisenstab bei sich, den er propellerhaft über die Finger laufen ließ. Wir lachten, bevor wir ein erstes Wort sprachen, und dann sagte ich: Sven, nicht wahr? - und er darauf, nach einer Weile: Dann steh ich wohl vor Elisa? Du kannst von heute ab ruhig Du zu mir sagen, sagte ich, und er wieder: Genau das hatte ich auch vor. Erst danach gaben wir uns zum ersten Mal die Hand.

    Der Mann:
    Schon im Ruderhaus, wenn er den Kurs hielt, den ich ihm angab, trug der Junge Handschuhe, lederbesetzte Arbeitshandschuhe, die er sich von seinem Vorschuß gekauft hatte, und die behielt er an, solange er an der Winsch stand und die triefenden, algenbesetzten Brocken übers Luk dirigierte. Kaum aber hatten wir am Abend an unserem weit hinausgezogenen Steg festgemacht, da streifte er sie ungeduldig ab, klemmte sie hinters Steuerrad, und mit dieser Geste schien er nicht nur die Arbeit hinter sich zu lassen, sondern auch auszudrücken, welch ein Verhältnis er zu ihr hatte. Dabei konnte ich mich auf ihn verlassen: wie er den alten Stockanker wegwarf; wie er mir die Sicherheitsleine umband, bevor ich runterging und auf dem nackten Grund die Klaue über die Steine brachte; wie umsichtig er die eingesackten Steine aus ihrem Bett brach und langsam und gleichmäßig aufhievte; wie berechnet er sie einschwenken ließ und dann mit Zug und Stoß über das Luk fierte, wo er sie nicht einfach ausklinkte, sondern nach bedachtsamer Ökonomie türmte und stapelte - all das machte den Jungen zu einem

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