Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen
Partner, dessen Wahl ich, soweit es um seine Arbeit ging, nicht zu bereuen brauchte. In der ersten Zeit verhielt er sich auch gegenüber dieser Frau so, daß ich annehmen mußte, er teile zumindest meine Enttäuschung und meine Bekümmerung, und zwar vor allem dann, wenn sie sich mit ihrer Herablassung äußerte über die Dinge in diesem Haus. Als sie wieder einmal verstört auf das - zugegeben, etwas schwere - Besteck hinabsah und sich nicht entschließen konnte zu essen, sagte Sven ruhig: Heute hast du Mutters altes Schlachtmesser erwischt; und als sie sich wieder einmal - mit den Fingerspitzen die Schläfen beklopfend - darüber beschwerte, daß die engen, lichtarmen Kammern geradezu schmerzhaft auf ihr lasteten, hob Sven wortlos einige Türen aus, stieß die Fenster auf und hakte sie fest gegen den Widerstand des Windes. An einem Wochenende kam der Junge dazu, wie sie die ovalen Kirschholzrahmen von der Wand hob und versuchte, ziemlich verblaßte Familienfotografien gegen Stiche auszutauschen, die sie aus einem Kalender löste und zurechtschnitt - Szenen von Fuchsjagden in England. Sven hob die Fotografien auf, brachte sie in die Rahmen zurück und sagte nur: Die bleiben, ist das klar? Dann verschwand er ohne Gruß, doch am Montag früh war er noch vor mir am Anlegesteg.
Der Junge:
Nur er, nur mein Alter allein wußte, wo sie vor drei- oder sogar
vierhundert Jahren ein künstliches Riff angelegt hatten, um fremde Schiffe stranden zu lassen. Vertraut mit den Strömungen hinter der Halbinsel, hatten sie in geduldiger Hoffnung auf Beute ihre Falle errichtet, hatten mit ihrem Überfluß an Zeit jahrelang Steine auf dem Grund der See geschichtet, bis knapp an die Oberflache, aber immer noch so, daß die Farbe des Wassers sich nicht allzu verräterisch veränderte. Dort also, wo sie einst Schiffe stranden ließen, lag alles, was wir suchten, eine unterseeische Bank von Steinen, die wir nur abzutragen und hinüberzusegeln brauchten zu den schwimmenden Werkstätten, wo Rammen und Bagger und Pontons friedlich vertäut lagen und zunächst nur für den Plan zeugten, den man für diesen Teil der Küste entworfen hatte. Niemand wunderte sich über die Zügigkeit, mit der wir Fracht um Fracht heranschleppten, man schrieb sie uns gleichgültig gut und beachtete uns nicht weiter, selbst wenn wir dreimal am Tag dort aufkreuzten. Er war fast immer unten, mit dem gebrauchten Tauchgerät, zog die Klaue über die großen Brocken, gab das Signal, und während ich den Stein anhievte, bemaß er schon den nächsten. Mich ließ er nur zweimal runter, und zwar weniger, um ihn abzulösen, sondern weil er mir eine Gelegenheit geben wollte, das Abmessen und Einpicken zu probieren, wie man den Greifer festsetzt, so daß der Stein ohne Risiko gelüftet wird und sich in der Klaue nicht bewegt, oder, was noch schlimmer wäre, zu drehen anfängt und zurückstürzt. Schön waren die Tage im Juni, wenn die See glatt war und nur unmerklich dünte und wir abends nach Hause liefen unter den hallenden Schlägen des alten Motors, der uns nie im Stich ließ. Manchmal stand Elisa auf dem Anlegesteg, um uns abzuholen; sie winkte angestrengt und ausdauernd, und einmal sagte mein Alter: Nicht mal das will ihr gelingen: das Winken! Wenn sie sich dann bei ihm einhakte und beide vor mir hergingen - er übertrieben aufrecht, sie mit wiegendem Schritt, der aus der Hüfte fiel - da mußte man sie einfach für zwei Boote halten, die sich bei ungleichem Seegang fortbewegten. Wer von unseren Leuten sie so zusammen gehen sah, blieb, sobald er sie passiert hatte, stehen, blickte ihnen nach und wußte nicht, ob er sich über meinen Alten wundern oder über Elisa den Kopf schütteln sollte. Dabei konnte man sich durchaus an sie gewöhnen, selbst an ihre Gürtel und an das Gestöhne über den Druck auf ihren Schlafen; mir zumindest ging es so, während mein Alter gar nicht oder nur sehr selten und obendrein verschlüsselt zu verstehen gab, daß er sich mit ihr abgefunden hatte. Wie der sich erregen konnte, wenn einer von unseren Leuten mal eine Anspielung machte oder wenn er im Hafenbüro ein nicht einmal ironisches Kompliment zu hören bekam! Woran ich mich nicht gewöhnen konnte, das waren ihre unaufhörlichen Schritte auf unserem Steinfußboden, dies Tacken, Klicken und Hämmern, dem man einfach nachlauschen mußte, wenn man für sich auf dem Bett lag und rauchte. Und noch weniger konnte ich mich daran gewöhnen, daß sie uns bei jeder Gelegenheit zu verstehen gab,
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