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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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eigensinnigen Korrektheit, mit seiner Pedanterie und der unablässigen Bereitschaft, für alles Verantwortung zu tragen, was er sein eigen nannte, also auch für mich, für die er sich zuständig fühlte von dem Augenblick an, in dem ich die Halbinsel betrat; und am andern Ende stand Sven: unsicher, leidend unter dem Austausch hastiger Umarmungen und mit Furcht erkaufter Berührungen, auch unter seiner Unentschlossenheit leidend, da er - und ich selbst konnte ihm ja nicht raten - einfach nicht wußte, was er tun sollte, um die Zeit der Verstellung zu beenden. Einmal allerdings zeigte ich ihm einen Ausweg, das heißt, ich deutete ihm an, was getan werden könnte, ausgerechnet an meinem Geburtstag. Dieser Geburtstag! Sie hatten nur eine Fahrt gemacht mit der »Ragna« und kamen hintereinander vom Anlegesteg herauf und wuschen sich und zogen sich um; dann brachte mir jeder sein Geschenk: er ein Tischfeuerzeug, das mit Bernstein besetzt war - mehrmals wies er auf die eingeschlossenen Insekten hin -, und der Junge ein Paar Ohrklips, die mir zwar gefielen, die ich aber dennoch nicht anlegen würde. Wir tranken Kaffee, und ich bemühte mich, beiden Geschenken die gleiche Aufmerksamkeit zu widmen und über die quälende Kaffeestunde zu kommen, als der Besuch erschien, als wahrhaftig Frank Pomella auftauchte hier in der Einsamkeit. Bis heute weiß ich nicht, wie er meine Spur aufgenommen und verfolgt hatte, jedenfalls, es war seine verlegene Stimme, ich hörte ihn nach mir fragen und hörte Johannes, der ihn trocken bat, einen Grund für diesen Besuch zu nennen, und dann bat er ihn ins Haus und beide verschwanden in einer Kammer. Sven nahm meine Hand, er versuchte, mich an sich zu ziehen, kurz und heftig wie immer, wenn wir einen Augenblick allein waren; er verstand sofort, wie sehr dieser Besuch mich betraf. Er spürte, daß etwas geschehen war, was alles in diesem Haus verändern könnte, und während er mich erschrocken und fragend anstarrte, hatte ich das Gefühl, vor einem kleinen Gewässer zu stehen, das abgelassen wurde: ein dunkler Grund kam zum Vorschein, schlammige Buckel und Kraut und die verrotteten Reste eines gesunkenen Boots vielleicht. Ich gehe mal nachsehn, sagte Sven, ich geh einfach hinüber, und frag den Alten, ob ich ihm seinen Kaffee bringen soll, dann wissen wir, worüber die reden. Nein, Sven, sagte ich, du brauchst nicht hinüberzugehn; wenn Frank Pomella irgendwo auftaucht, dann wird über eine einzige Sache gesprochen: über Geld. Nur frag mich nichts, frag mich jetzt bitte nichts. Wie sollte ich ihm antworten auf seine hastigen, besorgten Erkundigungen; ich saß nur da, lauschte weniger zur Kammer hinüber, in der sie saßen und verhandelten, als vielmehr auf meine eigene Unruhe, und blickte auf die Tür.
      Endlich hörten wir den Abschied auf dem Flur, und dann kam Johannes zu uns, sein erster Blick galt dem Kaffee, vermutlich hätte er kein näheres Wort über den Besuch verloren, wenn ich ihn nicht gefragt hätte: Einig? Seid ihr euch einig geworden? Er winkte ab, er sagte: dieser Mann hat mir einen Schuldschein vorgelegt mit deiner Unterschrift; ich bin dafür aufgekommen. Das sagte er gleichmütig, mit einer - wenn auch nur angedeuteten - wegwerfenden Handbewegung, so als ob er sich von allem, was er erfahren hatte, bereits wieder getrennt hätte. Am Abend ging er Sprudel holen und doppelten Weizenkorn, und ich bestand darauf, ihn auf der Bank vor dem Haus zu erwarten. Da sagte ich zu Sven, daß man alles gut wählen müsse; ich sagte: Auch der Augenblick, in dem man seine Zelte irgendwo abbricht, muß gut gewählt sein. Er nahm die Andeutung nicht auf.

    Der Mann:
    Konnte ich denn etwas anderes annehmen als seinen Vorsatz? Mußte ich nicht glauben, daß auch dieses Äußerste zu seinem Plan gehörte, einfach, weil er genug gespürt und mitbekommen hatte, und doch wohl nicht im Zweifel darüber sein konnte, daß ich mehr wußte, als ich bereit war zuzugeben? Schließlich gehörte nicht viel dazu: ein kleiner Druck, um die Sperre zu lösen, und ein kleiner Zug, der die Klauen des Greifers Öffnete. Nein, ich hatte nicht angefangen, mit dieser Möglichkeit zu rechnen, das muß ich zugeben, auch an dem Tag nicht - bläulicher Dunst trieb über dem Wasser -, als es geschah. Er half mir, wie jedesmal, beim Anlegen der Taucherausrüstung, und ich ging, wie jedesmal, runter zu der unterseeischen Steinbank und bückte hinauf und sah, wie die Klaue den welligen Spiegel der Oberfläche zerbrach bei

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