Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen
dest du von mir nicht sagen können, daß ich aussähe wie eine Kommunistin. Sieht er denn etwa so aus, fragt der Mann, und dann fast anklägerisch: Wie sieht denn überhaupt ein Kommunist aus? Falls du das weißt, dann bist du wirklich die einzige, die das weiß.
Knapp aus dem Handgelenk feuert er die Illustrierten fort; sie rutschen über den Tisch und fallen zu Boden. Komm, Judith, laß uns etwas trinken. Sie gehen ins Restaurant hinunter, es zieht sie zu den schweren Blumenkübeln neben einer Säule, ein junger Kellner folgt ihnen träge, und kaum haben sie sich gesetzt, da fragt er in vertrauensvollem Ton, offenbar bemüht, frische Erfahrungen auszuspielen: Whisky? Zwei Whisky, die Herrschaften? Dr. Thape bestellt eine Flasche Wein; er fügt hinzu; Von dem, der hier am nächsten wächst. Da, Berti, sieh mal! Was denn nun schon wieder? Der »innere Rhythmus«, und wie er sich verkleidet hat! Frau Schuster-Pirchala und ihr Mann betreten das Restaurant, sie in einem rosafarbenem Abendanzug mit einem Gürtel aus übereinanderliegenden goldenen Blättern; ihr Mann, einen Kopf kleiner, trägt zu weißen Hosen ein weinrotes Klubjackett, dem in der Herzgegend ein kolossales Wappen aufgestickt ist. Hoffentlich entdecken sie uns nicht, sagt Judith; da ist es schon geschehen, da wedelt die Masseuse ein freudiges Erkennungszeichen herüber, stubst ihren gleichgültigen Mann an und befiehlt die Richtung: dorthin, zu den Blumenkübeln. Ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, wenn wir uns zu Ihnen setzen. Herr Schuster oder Pirchala blickt so konzentriert in sein Weinglas, als habe er da etwas zu erforschen, was seine ganze Aufmerksamkeit beansprucht, und er tut es auf beinah leidende Art immer dann, wenn die drei musizierenden Zigeuner wieder mal an ihren Tisch herantreten. Die Masseuse lächelt ihnen zu, sie steckt dem Geiger einen lappigen Geldschein unter die Schärpe und darf sich einen Titel wünschen. Diese Leute, Herr Doktor, sagt sie später, haben alle ihren inneren Rhythmus bewahrt, und das ist es, worauf es ankommt; deshalb können sie sogar dem Kommunismus Heiterkeit abtrotzen. Sie blickt unmutsvoll auf ihren Mann, der zusammengesunken in schlechter Haltung dasitzt; das Wappen erinnert Judith an die Markierungssprache von Jägern: hier liegt die günstigste Stelle für einen Blattschuß. Erich richtet sich auf, drückt das Kreuz durch und lächelt resigniert; gleich wird sie ihn auffordern, über den inneren Rhythmus der Männer zu sprechen, die sich um die wilden Pferde der Pußta kümmern und mit denen sie am Feuer saßen und sangen und Kaffee tranken. Plötzlich springt Dr. Thape auf und ruft: Das müssen sie sein, Judith, das sind sie!
Der Mann läuft mit schwingenden Schultern auf die Eingangstür zu, wo sich ein Pulk neuer Gäste staut, rötliche, ermüdete Gesichter, die skeptisch und neugierig zugleich das Restaurant begutachten - eine Umgebung, zu der man verurteilt worden ist, in der man sich wird einrichten müssen; und wie lange sie zögern und es einfach nicht wagen, sich allein an einen der freien Tische zu setzen, obwohl da kein Oberkellner und kein Reiseleiter auftaucht, der ihnen sagt, wo sie Platz nehmen sollen! Da sind sie, sagt Judith leise, meine Schwägerin und ihr Mann. Und die Masseuse darauf: Wie lange haben Sie sich nicht mehr gesehen, Frau Thape? Nie, wir haben uns noch nie gesehen, nur auf Photographien; es ist das erste Mal. Dort die Dame mit dem unzeitgemäßen Hut, fragt Frau Schuster-Pirchala. Neben dem Mann mit dem Schillerkragen, bestätigt Judith.
Dr. Thape umarmt freimütig und etwas ringerhaft seine Schwester - gerade so, als wollte er an ihr einen Ausheber probieren -, umarmt dann achtsamer seinen Schwager, der leicht zu versteifen scheint, doch mit gutmütigem Lächeln sagen möchte: Wenn's sein muß; hoffentlich geht's gut.
Am Tisch erwartet Judith stehend die Verwandten; zur Begrüßung nimmt sie beide Hände Trudis und streift leicht ihre Wange; Reimund im Schillerkragen erhält einen kraftlosen Händedruck. Und das hier, sagt Judith süßsauer, sind gute Bekannte aus Bremen, die wir hier zufällig getroffen haben, Herr und Frau Schuster-Pirchala. Man schüttelt sich über dem Tisch die Hände. Ja, wie machen wir das nun, sagt Dr. Thape in der Hoffnung, die Bremer Bekannten würden sich in innerem Rhythmus verabschieden, hier gibt es nur fünf Stühle. Nehmen Sie doch einen vom Nebentisch, sagt die Masseuse und widmet Reimund, durch nichts begründet, ihr
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