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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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offenherzigstes Lächeln. Sie werden Durst haben, sagt Judith, sie werden Hunger haben; sie werden erschöpft sein nach so langer Fahrt; du mußt gleich für sie sorgen, Berti. Es geht schon, sagt Trudi, nur ein bißchen heiß war es zuletzt. Trudi setzt den Hut ab, schüttelt das Haar aus, zieht den verknitterten Rock über die Knie und winkt knapp einem älteren Ehepaar zu, Mitreisenden offenbar, Tja, sagt sie, da wären wir also; etwas spät, aber das liegt nicht an uns. Was glaubst du, Reimund, fragt Dr. Thape, was wäre das beste für den ersten Durst? Bei uns steht das fest, sagt Reimund: Trudi ein Bier, ich zwei Bier - so einfach ist das. Er mustert die fremde Frau, ihren Goldblattgürtel, die goldfadendurchwirkte Tasche; er spürt, daß sie sich mit ihrem Lächeln das Recht zu einer Frage erkaufen möchte, und um ihr zuvorzukommen, fragt er. Bleiben Sie länger in Ungarn? Wir sind auf der Heimreise, sagt Frau Schuster-Pirchala, und erzählt dann ungefragt, wie es ihrem Mann gelang, in drei Wochen einen Jugendtraum einzulösen.
      Daß sich am ersten Schluck auf das Wiedersehen auch dies fremde Paar beteiligt, will Dr. Thape gar nicht schmecken; aus totem Winkel gibt er seiner Frau auffordernde Signale, die sie nur mit unschlüssigem Heben der Schultern beantwortet. Jedenfalls erkennt sie, daß er ihr die Verantwortung zuschiebt für die unerwünschte Anwesenheit dieser Leute, und weil sie jetzt nichts mehr daran ändern zu können glaubt, wendet sie sich ab und sucht Trudis Blick. Ich hörte, daß Sie aus der DDR kommen, sagt Frau Schuster-Pirchala; wie geht es heute in der DDR, im allgemeinen? Reimund blickt ratlos Trudi an, die mit ausgestrecktem Zeigefinger zartfühlend an ihrem Bierglas entlangfährt, und dann sagt er: Aus der Art Ihrer Frage schließe ich, daß Sie wissen möchten, ob es in der DDR immer noch Streuselkuchen gibt; als Augenzeuge darf ich Ihnen versichern, daß das der Fall ist. Ich fürchte, sagt Dr. Thape unduldsam, wenn wir jetzt etwas zu essen bestellen, dann dürfte der Tisch für sechs Personen zu klein sein. Dann rücken wir eben etwas zusammen, sagt die Masseuse; mein Mann und ich brauchen sowieso kaum Platz, weil wir nur einen Teller mit Rohkost bestellen. Wir, sagt Trudi, wir können doch solange hinübergehen zu unseren Mitreisenden. Was meinst du, Berti? So weit kommt das noch, sagt Berti, winkt übellaunig einen Kellner heran und fordert ihn auf, die Bestellungen anzunehmen.
      Und wie geht's Vater, fragt Dr. Thape über den Tisch. Trudi sieht ihren Bruder lange an, gerade so, als hätte sie eigentümliche Schwierigkeiten, diese Frage zu beantworten. Ich weiß nicht, sagt sie leise; manchmal habe ich das Gefühl, er ist sehr alt geworden; manchmal glaube ich aber auch - und das betrifft vor allem seine Haltung -, daß er wieder jünger wird. Er läßt dich grüßen. In eine Pause sagt Frau Schuster-Pirchala: Das ist durchaus typisch für alte Männer, in einem bestimmten Stadium beginnen sie, fast übertrieben auf ihre Haltung zu achten. Außerdem hat er Mutters Leidenschaft übernommen, sagt Reimund, sowas von begeistertem Radiohörer hast du noch nicht erlebt. Wir müssen den Kasten abstellen, sobald er eingeschlafen ist.
      Der Kellner irrt sich; er hat fünfmal Karpfensuppe angeschleppt, obwohl nur vier Gäste sie bestellt haben. Bekümmert blickt er auf den überzähligen, dampfenden Teller, auf dem eine ebenmäßig gebogene Bauchgräte leuchtet. Das tragen Sie mal zur Küche zurück, guter Mann, sagt Frau Schuster Pirchala, worauf Judith lakonisch erklärt: Sie kann hierbleiben, ich werde die Suppe essen. Laß sie nur mir, sagt Dr. Thape, Trudi wird dir bestätigen, daß ich schon als Junge ganz versessen auf Suppen war, was, Trudi? Sie machen sich wohl gar nichts aus Suppen, Herr Schuster-Tschinschilla, fragt Dr. Thape, und der Mann im weinroten Jackett strafft sich und sagt lächelnd: Zuviele Suppen genossen, früher beim Militär, da hat sich Überdruß eingestellt. Übrigens - mein Name ist einfach Schuster. Aber Sie haben wohl nichts dagegen, fragt Dr. Thape, seinen Unwillen mühsam bezähmend, wenn wir unsere Suppen hier so genüßlich vor Ihnen löffeln? Nur zu, sagt Herr Schuster, und macht sogar eine einladende Handbewegung, nur zu, mich stört's nicht. Die Masseuse gibt dem Geiger der Kapelle ein Zeichen, der Mann nickt, er hat verstanden; und noch bevor die Kapelle wiegend und gekrümmt herankommt, fragt sie: Mit der Versorgung der Bevölkerung soll es

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