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Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen

Titel: Einstein überquert Die Elbe Bei Hamburg: Erzählungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Siegfried Lenz
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hat, diese Bäume zu pflanzen: Dichter, Kosmonauten, durchreisende Mitglieder eines Politbüros. Kein Kollege von dir, kein Patentanwalt. Ein altmodischer Ausflugsdampfer, übersät mit verwaschenen Rostflecken, dreht von der Pier ab und verabschiedet sich mit reichlich wichtigtuerischen Signalen aus seiner neben dem Schornstein liegenden Sirene. Judith erschrickt, als die Kapelle zu spielen beginnt. Dort hinter den Bäumen, in der hölzernen Orchestermuschel, haben die Musiker Platz genommen und spielen zum »Tanz im Freien«. Sie eröffnen mit »Blue Moon«. Sittsam schieben die Paare über die runde, hölzerne Tanzfläche. Die Männer, sagt Judith, sieh dir die Männer an: alle mit Schillerkragen wie dein Schwager Reimund. Was meinst du, ob er auch tanzt? Herrgottnochmal, Judith, woher soll ich das wissen: ich kenne ihn ebenso gut wie du, nämlich von seiner Unterschrift und dem immer gleichen Schnörkel, in den er seinen Namen auslaufen läßt. Außerdem sind wir ja nicht hierher gefahren, um miteinander zu tanzen. Und gereizt sagt der Mann: Du wirst sehen, der erste Tag geht vorbei, ohne daß wir miteinander gesprochen haben. Dann bleiben uns nur noch zwei Tage, denn am Montagabend... Mußt du in Wien sein, setzt Judith den Satz fort. Nach dreizehn Jahren, sagt der Mann, da hat sich genug angestaut, das wegerzählt werden muß.
      Obwohl sie hier gern noch liegen bleiben möchte im wandernden Schatten des alten Baumes, hilft sie ihm dann doch, die gesamte Badeausrüstung zum Auto zu tragen, und begleitet ihn ins Hotel zu dem weiträumigen, kostbar möblierten Empfang. Mädchen in knapp geschnittenen blauen Uniformen, nicht nur nach Sprachkenntnissen und Schönheit, sondern offenbar auch nach besonders eindrucksvoller Lethargie der Bewegungen ausgesucht, beraten längere Zeit blickweis, welche von ihnen dem westdeutschen Gast zu dieser Zeit eine Auskunft geben sollte, Hören Sie, sagt Dr. Thape, ich möchte Sie um etwas bitten: falls der Bus aus Stralsund eintrifft, würden Sie uns dann freundlicherweise eine Nachricht geben; wir sind jetzt auf unserem Zimmer. Das Mädchen nickt bedächtig. Schon auf der Treppe, sagt Judith: Ist dir klar, daß sie uns überhaupt nicht nach der Zimmernummer gefragt hat?
      Die Frau spült und wringt die Badeanzüge aus und hängt sie unter dem Fenster zum Trocknen auf und setzt sich so, daß sie den kleinen, belebten Hafen überblickt, während der Mann einen Polsterstuhl ruckend in die Stellung bringt, aus der er ein Stück der Uferstraße - nur als grauschwarzes, blinkendes Band erkennbar - und die Auffahrt zum Hotel beobachten kann. Er blättert abermals die Illustrierte durch, heftig, unkonzentriert, mit einer reißenden Bewegung, daß es jedesmal ein Geräusch gibt wie von einem schwachen, aber immer noch genauen Peitschenschlag. Unter einem wachsenden Druck, den er selbst noch nicht benennen möchte, hat er für alles nur Vorwurf übrig, oder doch vorwurfsvolle Nachfrage. Was machst du da eigentlich, fragt er, obwohl die Frau sich beinahe regungslos und vollkommen lautlos verhält. Ich wundere mich über Trudi, sagt Judith, wenn sie den Kopf nur etwas schräg legte, dann wäre die vernarbte Wange nicht zu sehen. Trudi aber scheint darauf zu bestehen, sie dem Photographen zu zeigen, und zwar jedesmal. So ist Trudi eben, sagt der Mann, sie möchte keinen im Zweifel lassen über sich. Was meinst du, mit welchen Worten sie uns zum ersten Mal von Reimund erzählte? Es war wenige Tage, bevor ich fortging; Mutter lebte noch; wir saßen und hörten Radio, weil Mutter so gern Radio horte, Volkslieder aus dem Osten vor allem; da kam Trudi nach Hause, sehr spät für ihre Verhältnisse. Sie hatte Reimund kennengelernt. Sie sagte etwa: Entschuldigung, daß ich so spät komme, ich habe einen Mann namens Reimund Wolters kennengelernt, er hat zweieinhalb Jahre gesessen wegen bedenkenloser Vergeudung volkseigener Schiffsausrüstungsbestände, inzwischen wurde er rehabilitiert: ein Mann, mit dem man reden kann. Komisch, sagt Judith, auf den Bildern macht er ganz und gar nicht den Eindruck, als ob man mit ihm reden könnte. Sieh dir nur an, wie düster dein Schwager hier aussieht, wie schweigsam und verkniffen - hier, am Gartenzaun -, und dazu die zusammengewachsenen Augenbrauen... Nun mach aber mal Pause, Judith; was meinst du, zu welchen Ansichten ich über dich kommen müßte, wenn es von dir nur die Photos gäbe, die du erst gar nicht entwickeln läßt. Jedenfalls, sagt die Frau, wür

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