Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
Kondomverbrauch einschränken und
führt leicht dazu, dass die Gesamtsumme der Lust durch Geschlechtsverkehr im Universum
vermindert wird. Aber dafür erhöht Glauben den Umsatz der Gesangbuchhersteller,
und die haben auch Recht auf ein menschenwürdiges Leben.«
»… die Gesamtsumme
der Lust im Universum?«
»Oder glauben
Sie, dass sie dadurch erhöht wird?«
»Nein, nach
Adam Riese nicht.«
»Woraus
man einen Konflikt des Papstes mit Adam Riese ableiten könnte?«
»Hm, ja
– wohl wahr«, bestätigte er. »Noch ein abschließendes Wort zur weltpolitischen Lage,
bevor Sie zu uns nach New York kommen, Albert?«
»Beim Thema
China und annektiertes Tibet immer gründlich wegsehen«, schlug ich vor. »Denn jeder
kann auf seine Weise ein Zeichen setzen.«
Schlagersänger Herbert war plötzlich
ungeheuer scharf darauf, mich als Promoter zu beschäftigen. Er hatte entdeckt, dass
ihm das mehr Publicity brachte als seine Schnulzen. Also nahm er mich vor meinem
Abflug noch einmal in die Pflicht und wollte wissen, ob ich auch ganz bestimmt nach Vanuatu zurückkehren würde.
»Herbert«,
sagte ich und dabei drückte ich fest und innig seine Hand und sah ihm tief in die
Augen, »hatten wir nicht eine klare Vereinbarung? Ich habe mich verpflichtet, meine
Schwester heil und gesund nach Hause zu bringen, wenn sie schwanger wird oder falls
du ihrer als Sexspielzeug überdrüssig werden solltest.«
»Willst
du schon einen Scheck für deine Arbeit?«
»Kann nicht
schaden – schließlich sind deine Plattenumsätze um zehn Prozent gestiegen.«
Ich flog erst nach Sydney und dann
weiter in die USA. Meine Maschine war ein ausrangierter Russen-Jet, der früher in
Diensten von Syrienairlines gestanden hatte. Seine Triebwerke bekamen ständig
Hustenanfälle. Irgendwann meldete sich der Copilot über Lautsprecher, um uns den
Grund für die bedrohlichen Geräusche mitzuteilen. Aber er bekam selbst einen Hustenanfall
und musste wieder auflegen.
Beim Umsteigen
in die American-Airlines-Maschine sah ich ihn dann mit seinem Kompagnon die Gangway
herunterkommen und erschrak, weil er wie Herberts Zwillingsbruder aussah. Dieselben
langen Zöpfe und spindeldürren Storchenbeine, als habe Herbert sich als Copilot
verkleidet, um mich in den USA zu bespitzeln.
Auf der
Fahrt zum Studio blickte ich mich ein paar Mal um. Aber es war wohl nur ein Spuk,
eine leichte Anwandlung von Verfolgungswahn wegen des Jetlags.
Man hatte
mir nicht gesagt, wer die Teilnehmer unserer Talkshow sein würden. Umso überraschter
war ich, dass auch der Dalai Lama dazugehörte. Das Thema lautete: » Moralische
Defizite – die große Geißel der Zeit? «
»Darf ich
fragen, warum Sie ausgerechnet mich zu diesem Thema eingeladen haben?«, fragte ich
den Redakteur, bevor es losging.
»In Ihrem
Interview ›Die Kunst des Lebens auf den Neuen Hebriden‹ haben Sie einige interessante
Bemerkungen gemacht, Albert.« Er nahm ein Blatt aus seiner Arbeitsmappe, um mir
die Mitschrift vorzulesen:
»Wir müssen
Argumente für die Moral finden, an denen selbst der kritischste Zyniker nur durch
seine eigene Dummheit und Unwissenheit scheitern kann. Was wir brauchen, ist eine
Werttheorie auf der Höhe der Zeit, die lange vergeblich gesuchte Begründung der
Moral. In einem aufgeklärten Bewusstsein wissen wir, wie stark der Schmerz schmerzt
und wie sehr die Lust lockt. Wir nehmen unsere subtilen Wünsche wahr. Wir wissen
um die Gefahren unserer Unbewusstheit und unseres mangelnden Unterscheidungsvermögens.
Und dass manche Wünsche sehr leicht politische, gesellschaftliche und sogar esoterische
Hirngespinste und Projektionen schaffen.«
»Oh, da
zitiere ich nur einen unserer zeitgenössischen Werttheoretiker.«
12
»Geißel der Zeit«, sagte der Dalai
Lama, »will besagen, dass jeder für die gesamte Menschheit Verantwortung trägt,
und dass diese Verantwortung gegenwärtig nicht im rechten Maße wahrgenommen wird.
Kluge Egoisten denken an andere, helfen anderen so gut sie können – mit dem Ergebnis,
dass sie selbst davon profitieren. Dies ist eine sehr einfache Religion, für die
es keine Tempel braucht und keine komplizierten philosophischen Systeme. Unser Hirn
und unser Herz sind unser Tempel, und Güte ist unsere Philosophie.«
»Aber genau
das«, gab Professor Hoolbrock von der Washington University zu bedenken, »widerspricht
dem Selbstverständnis des radikalen Egoisten, für den Verantwortung nun einmal kein
vorrangiges Ziel ist.«
»Um Glück
und
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