Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
sich Herbert.
Von Lichtallergie
keine Spur mehr. Er grinste blöde in die Sonne und war sogar fähig, seine schwarze
Brille abzunehmen. So leicht kommt einer von seiner Psychosomatik herunter.
»Ich finde,
mein Margarita ist etwas dünn geraten …«
»Also besorgen
wir uns doch gleich eine Flasche Tequila zum Nachbessern.«
»Zwei wären
besser als eine. Dann braucht der Kellner nicht noch mal zu laufen.«
Mit dieser
Methode hielt ich mir Herbert vom Leibe, weil er immer eine Flasche mittrinken wollte,
um sich vor Anja keine Blöße zu geben.
Irgendwann
rauschte zu meiner Überraschung ein Pulk Journalisten herein und fiel erst mal über
das kalte Büfett her. Danach wurden Kameras installiert, Scheinwerfer und Reflektorschirme
aufgebaut und ein Team vom örtlichen Fernsehen übernahm die Regie. Es stellte sich
heraus, dass Schlagersänger Herbert irgendeinen internationalen Preis gewonnen hatte.
Er reckte
die Brust vor, ließ seine Hosenträger schnappen und gebärdete sich wie ein Gockel,
hinter dem sämtliche Hennen der Inseln her waren. Herbert hatte nur ein Problem:
er war beim Englisch momentan so außer Übung, dass er mich ständig um Rat fragen
musste.
So kam es,
dass er mich als seinen Promoter vorstellte. Und weil sich die versammelte Journalistenschar
über mein Alter wunderte, fiel Herbert nichts Besseres ein, als ihnen auf seinem
Handy einen Mitschnitt meiner letzten Talkshow beim Sender Watt 2000 zu zeigen.
Danach wurde
ich prompt als Wunderkind gehandelt. Die Burschen waren ziemlich platt, dass der
Präsident einer führenden Industrienation mit mir auf Augenhöhe diskutierte. Die
meisten verstanden zwar kein Wort Deutsch, aber dafür reichte die Bildersprache.
Ich sagte
zu alledem nichts. Und das ist wahrscheinlich immer noch die effektivste Methode,
um jemanden neugierig zu machen. Ein einheimischer Fernsehfritze nahm mich in der
Pause zur Seite und fragte mich, ob ich nicht als jüngster Promoter der Weltgeschichte
ein Interview für Vanuatu Today! machen wolle.
Ich glaube,
nicht einem der übrigen Zeitungsfritzen entging sein Versuch …
In den folgenden
Tagen standen die Telefone kaum noch still. NBC wollte mich für ein Interview über
»Die Kunst des Lebens auf den Neuen Hebriden«. Die Washington Post recherchierte
in Sachen »Junge, neue Generation«. Und so ging es weiter: Australian Broadcasting
Corporation (ABC), CNN International, Television New Zealand (TVNZ), ATV-Andorra,
Columbia Broadcasting System (CBS), Radio Algerien International, Televisión Española
(TVE), France Télévisions.
Herbert
verstand die Welt nicht mehr, weil sich plötzlich alle mehr für mich als für ihn
interessierten.
»War wohl
doch keine so gute Idee, dich als meinen Promoter zu verkaufen«, sagte er missmutig.
»Seitdem ist es mit der Ruhe vorbei.«
»Und wenn
wir einfach die Insel wechseln?«, fragte Anja. Sie hatte schon Freundschaft geschlossen
mit einem Mädchen namens Kylie Minogues auf Lamenu, einer Nachbarinsel.
Kylie besaß
einen Freund in Port-Vila und sie wurde fast ohnmächtig, als sie ihn in einer Bar
am Marktplatz wiedersah, weil er sich die Haare hatte schneiden lassen und sie jetzt
ein oder zwei Millimeter kürzer waren als früher. Sie machten ein Theater darum,
als sei schon wieder eine Atombombe auf Hiroshima abgeworfen worden.
So sind
die Menschen auf den Inseln. Ein paar Flusen weniger und die Welt steht Kopf für
sie.
Bevor wir
nach Lamenu abflogen, verdonnerte mich CNN zu einer Talkshow in New York, wo sich
ihr zweitgrößtes Büro nach Atlanta befindet.
Sie sagten,
sie seien überrascht über meine Antworten im Interview » Die Kunst des Lebens
auf den Neuen Hebriden « und ob ich nicht vielleicht spontan zu einer weiteren
Sendung zur Verfügung stünde. Besonders beeindruckend fanden sie es, dass ich mich
für mein Interview bei Vanuatu Today! nicht hatte vorbereiten müssen.
»Verfügen
Sie vielleicht über ein fotografisches Gedächtnis, Albert?«, fragte der Chefredakteur
von CNN am Telefon. »Normalerweise haben nur Autisten solche Fähigkeiten. Sie sollten
Ihr Gehirn mal in einem Kernspintomografen untersuchen lassen. Womöglich handelt
es sich um ein medizinisches Wunder?«
»Na und?«,
fragte ich. »So was soll’s geben.«
»Wäre das
denn dann ein Weg zum Glauben und ein Zeichen der Hoffnung für uns alle?«
»Glauben
kann durchaus den Geist beflügeln, wie die Religionen zeigen. Und gelegentlich fördert
es sogar die Moral. Glauben kann zwar auch den
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