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Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Schmidt
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die
Neuen Hebriden? Warum nicht gleich nach Molwanîen , ins Land des schadhaften
Lächelns?
    »Neue Hebriden?«,
fragte Anja. »Wo, in Herrgotts Namen, liegt das denn?«
    »Neue Hebriden
ist der Name für die unabhängige Republik Vanuatu«, erläuterte ich bereitwillig,
weil es zu meinen Grundsätzen gehört, weniger Gebildeten niemals eine Antwort zu
verweigern. »12.190 Quadratkilometer, bestehend aus 83 von Riffen gesäumten Inseln
im Südwesten des Pazifiks etwa 2.000 Kilometer östlich von Australien, ungefähr
auf der Höhe von Townsville. Einwohnerzahl 200.000. Hauptstadt ist Port-Vila mit
etwa 35.000 Einwohnern auf der Insel Éfaté.«
    Danach brachte
ich erst einmal meine Reisetasche in Herberts Hotel. Mir war eingefallen, dass ich
ungefähr drei Kilo Musik-CDs und meine Lieblingserzählung mit dem Titel Jahrhundert
der Überschwemmungen vergessen hatte, sozusagen den literarischen Gegenentwurf
zu Al Gores Eine unbequeme Wahrheit über die drohende Klimakatastrophe.
    Außerdem
war es unauffälliger, wenn ich erst am nächsten Tag aus der Stadt verschwand. Mein
Alter wollte nämlich morgens einen Experten konsultieren, der die Kuppeldecke unseres
Esszimmers mit echtem Blattgold belegen sollte. Für achttausend Euro pures Gold.
    Seine Pingeligkeiten
und sein Gefeilsche um jeden Cent würden mir einen halben Tag Vorsprung verschaffen.
Und bis er auf die Idee kam, am Flughafen nachzuforschen, ob seine Kinder das Land
verlassen hatten, verging mindestens noch ein weiterer Tag.

11
     
    »›Es liegt keine Tragik im
Tod eines alten Mannes‹, sagt der Engel, nachdem er einen rüstigen Greis ins Jenseits
geleitet hat. ›Vergebt ihm seine Fehler und dankt ihm für seine Liebe und Fürsorge.‹«
    »Was ist
los?«, fragte meine Mutter.
    »Oh, ich
zitiere nur den verstorbenen Regisseur Robert Altmann.«
    »Und wieso?«
    »Die Nachrichten
melden gerade, dass Professor Augusta in Aix-en-Provence das Zeitliche gesegnet
hat. An der Ampel Rot und Grün verwechselt; vielleicht, weil er farbenblind war
oder weil ihm das Klima nicht bekam.«
    »Augusta
– ist das nicht der Professor, der so viel auf deine Begabung hält?«
    »Sieht ganz
so aus, als wenn alle Menschen mit Durchblick langsam wegsterben.«
    Für Mom
war die Angelegenheit damit erledigt. Fragen über den Tod hinaus gab es in ihrem
Universum nicht. Die Welt bestand aus Gräsern, Blumen, Pelzmänteln, aus all den
handgreiflichen Dingen, die unzweifelhaft existierten. Nicht jedoch aus solchen
Hirngespinsten wie Motiven, Leiden, Ängsten. Oder Kinderseelen, die niemals zur
Ruhe kamen.
    Was mochte
Augusta, diese arme Seele, letztlich zugrunde gerichtet haben? Nur ein wenig Unaufmerksamkeit
und der Kotflügel eines Rolls Royce? Oder die Einsicht in die eigene Durchschnittlichkeit?
Diese undurchsichtige Gemengelage unserer psychosomatischen Verfassung?
    Wie ich
später erfuhr, war morgens in der Hotelküche die Kaffeemaschine defekt gewesen.
Rechnen wir einfach alle lebensbedrohlichen Fakten zusammen:
     
    Ein Mann, der in seinem beruflichen
Selbstverständnis angeschlagen ist und zu einer albernen Tagung flüchtet, womöglich,
um nicht in einer mindestens ebenso albernen Talkshow auftreten zu müssen, auf deren
Fragen es ohnehin keine vernünftigen Antworten gibt …
    Der auf
die grandiose Idee kommt, dem Sender einen vierzehnjährigen Klugscheißer unterzuschieben?
Und in dieser existenziellen Ausnahmesituation erwischt ihn plötzlich ein morgendlicher
Koffeinmangel. Er stolpert verstört über eine rote Ampel …
     
    Es waren nur ein paar winzige Erkenntniskrumen
aus den allgemein zugänglichen Specktöpfen des Geistes, die ich Augusta hingeworfen
hatte, aber möglicherweise hatten sie sein wissenschaftliches Weltbild auf den Kopf
gestellt.
    Als ich
mich zum zweiten Mal von meiner Mutter verabschiedete, glaubte sie, ich würde wie
üblich nach dem Frühstück in mein Zimmer verschwinden. Doch an diesem sonnigen Morgen
erlaubte ich es mir zum ersten Mal, erhobenen Hauptes durch den Eingang unserer
protzigen Villa zu schreiten. Ein erhebendes Gefühl …
    Danach ließ
ich den Hausschlüssel, der diesmal hinter der Schlafzimmerkommode versteckt gewesen
war, in den nächsten Gully plumpsen. Ich finde, neue Lebensabschnitte verlangen
eindeutige Zeichen. Das Leben hat nun mal einen gewissen Symbolcharakter.
     
    »Sieh dir bloß die Schlagzeilen
und Bilder an«, jauchzte Anja am Flughafen. »Du bist jetzt ein Star, Albert Pottkämper.
Die Kritik hat dich zum

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