Einsteins Gehirn: Kriminalroman (German Edition)
diesen Worten umwandte
und mir freundlich lächelnd die Hand gab.
»Ich glaube,
Außenpolitik wäre nicht unbedingt mein Favorit. Aber in Ihrer Antrittsrede sprachen
Sie Themen an, die mich sehr beeindruckt haben. Leider ist seitdem in der Weltpolitik
nicht alles so gelaufen, wie man es sich wünschen würde.«
»Das wäre?«
»Erlauben
Sie mir, Ihre Rede im Wortlaut zu zitieren, Mr. President?«
»Sicher,
schließlich leben wir in einem freien Land, das niemandem den Mund verbietet, erst
recht nicht, wenn es sich um meine eigenen Worte handelt.«
»So lange
in Regionen dieser Welt Groll und Tyrannei herrschen, die empfänglich sind für Ideologien,
die Hass schüren und Mord entschuldigen, wird die Gewalt wachsen und sich in destruktiver
Macht vervielfachen. Es gibt nur eine Kraft in der Geschichte, die die Herrschaft
von Hass und Groll brechen, die Anmaßung von Tyrannen entlarven und die Hoffnung
der Aufrechten und Toleranten belohnen kann: das ist die Kraft der menschlichen
Freiheit.«
»Beeindruckend,
ja – ich erinnere mich noch genau an meine Worte«, bestätigte der Präsident.
»Es sei
die Politik der Vereinigten Staaten, demokratische Bewegungen und Institutionen
in jedem Land und jeder Kultur zu suchen und ihre Entwicklung zu unterstützen, mit
dem Endziel, die Tyrannei in der Welt zu beenden.«
»Ganz recht,
das sehen wir immer noch als unser strategisches Konzept an, nicht wahr, Condoleezza?«
»Durchaus.
Um mich selbst zu zitieren: Die größten Bedrohungen entstehen heute mehr innerhalb
von Staaten als zwischen ihnen. Der grundsätzliche Charakter von Regimen ist jetzt
wichtiger als die internationale Verteilung von Macht. Auf dieser Welt ist es unmöglich,
saubere, klare Trennlinien zwischen unseren Sicherheitsinteressen, unseren Entwicklungsanstrengungen
und unseren demokratischen Idealen zu ziehen.«
»An dieser
Stelle darf ich – auch wenn dies möglicherweise den freundschaftlich unverbindlichen
Besuch eines deutschen Gymnasiasten im Weißen Haus sprengt – eine kritische Anmerkung
anfügen?«, fragte ich.
»Ich schätze
es immer, wenn wir nicht in Höflichkeitsfloskeln stecken bleiben«, sagte der Präsident.
»Sie befürworten
für diese Politik die Strategie der Präventivschläge gegen terroristische Organisationen
und sogenannte Schurkenstaaten. Aber dieses Konzept hatte von vornherein gravierende
Schwächen. Was Ihre Verbündeten anbelangte, ging man auf einen unnötigen Konfrontationskurs,
anstatt genau das zu praktizieren, was Sie in Ihrer Antrittsrede deklariert haben:
Freiheit und freie Meinungsäußerung auch bei heiklen Themen. Und mit dem Irakeinsatz
als Präventivschlag schuf man den Präzedenzfall, dass ein militärischer Angriff
auf ein unliebsames Regime auch ohne konkrete Bedrohung rechtens sei. Aber was politisch
noch weitaus folgenreicher wiegt – die strategische Analyse für den Irak war völlig
unzureichend.«
»Unzureichend
inwiefern?«, fragte Condoleezza Rice.
»Weil Sie
es versäumt haben, den islamischen und irakischen Widerstand vorauszusehen. Und
weil es kein Konzept für ein demokratisches System in der Zeit nach dem Krieg gab.
Dabei sagten selbst Ihre Geheimdienste eine Zersplitterung des Landes in unüberschaubare
Machtinteressen voraus.«
»Was uns
nicht davon abhalten sollte, Terrorismus einzudämmen, Despoten zu stürzen und echte
Demokratie zu ermöglichen«, warf der Präsident ein.
»Ihre proklamierten
Ziele in Ehren, Mr. President, aber die Mittel, um das zu erreichen, waren wenig
tauglich. Okkupation erzeugt bekanntlich Opposition. Bei den Gewalttaten und Auseinandersetzungen
im Irak handelt es sich vor allem um ehemalige Mitglieder von Saddam Husseins Regime,
um sunnitische Araber und Nationalisten, strenggläubige Schiiten des Geistlichen
Muktada al-Sadr und islamische Extremisten, die man al-Qaida zurechnet. Lassen wir
al-Qaida außer Acht, dann bestand der Fehler darin, nicht lange vor dem Krieg mit
diesen Gruppierungen in Geheimverhandlungen zu treten. «
»Und Ihr
Vorschlag dazu, Albert?«, fragte Condoleezza Rice.
»Alle Beteiligten
mit dem Recht auf Eigenverantwortlichkeit von den Vorteilen einer demokratischen
Kooperation zu überzeugen. Was Ihre Gegner sich jetzt mit Gewalt zu holen versuchen,
ist das, was Sie ihnen schon vorher hätten anbieten sollen.«
Der Präsident
nickte bekümmert. »Ich denke, die Analyse unseres jungen Freundes ist nicht ganz
abwegig. Wir gingen davon aus, dass man uns als Befreier ansehen
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