Einzelkaempfer
Versicherungskauffrauen, Lehrer (Sport und Englisch), Bäcker und im Dunst geistreicher Ergüsse und genossener ebenso geistreicher Getränke des Professors.
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Vom arbeitslosen Blechschlosser zum arbeitslosen Werbekaufmann – Heiner Himmels steile Karriere. Immerhin sind die Arbeitslosen heute besser qualifiziert als vor 20 Jahren, könnte ich mir vorstellen. Warum ich Ihnen das alles erzähle? Ich will für Sie arbeiten. Geben Sie mir einen Job. Ich mache alles. Bin zwar arbeitslos, aber nicht frei von Visionen. Ohne Job, aber nicht ohne Ideen. Langhaarig aber nicht langweilig und ich habe gelernt, bilde ich mir ein. Wer nichts tut, dem wird auch nichts getan. Soll heißen: Der Unternehmer unternimmt was, hab ich aus so einem Workshop für Unternehmensgründer – bin aber nur drei Mal hingegangen. Für das was ich vorhabe, brauche ich keinen Finanzierungsplan, keine Marktanalyse, keine Kredite und keine Angestellten. Ich stell mich selbst an, beziehungsweise hin. Zum nächsten Ersten werde ich täglich in die Stadt radeln. Stelle mich in die Fußgängerzone mit einem attraktiven Plakat vorn und hinten. ›Sandwichman‹, nennt man das. Sie sehen, die Umschulung war nicht umsonst. Darauf folgender Text: Ich helfe Ihnen wann Sie wollen, wobei Sie wollen, so oft Sie wollen – für sieben Euro die Stunde, oder Tagespauschale.
NIMM MICH MIT!
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Den Kater meines Lebens habe ich noch nicht ganz verwunden. Prost Neujahr! – hallen die gebrüllten guten Wünsche meines Nachbarn in mir nach. Fängt ja gut an. Allein beim Gedanken an Getränke wie Feigling, Schwarze Sau, Tequila und obendrauf noch Feuerzangenbowle krampft sich der innen nun wunde, hohle Beutel namens Magen schmerzlich zusammen. Dabei hatte es alles so harmlos angefangen. Eigentlich wollte ich gar nicht Silvester feiern. Mit wem auch. Durch die Scheidung von meiner Frau war ich gleichzeitig von unserem gesamten Freundeskreis geschieden. Der Freundeskreis mutierte also zum Feindeskreis. Still vor mich hin grimmend saß ich in der kleinen Dachwohnung und starrte auf die albernen Sketchsendungen, die im Öffentlich-Rechtlichen ausgestrahlt wurden – denen fällt auch bald nichts mehr ein. Alternde Schlagerfuzzis, greise Komiker, die vor 25 Jahren irgendwann mal lustig waren. Da kam mir das Angebot des Nachbarn ganz recht, der zu mir herauf rief, während ich meine Nase beim Lüften in den Nachthimmel hielt, als könne man den Mief alter Filme durch das Öffnen des Fensters vertreiben: »Komm Alter, feier mit, wir sind unten im Schuppen.«
Der Schuppen war ein zugiger Bretterverhau, der an den Garten meiner Dachwohnung grenzte und der Nachbar war ein 20jähriger Heavy Metal Fan, der mit seinen Kumpels nebst Freundinnen einen drauf machen wollte und mich, ich weiß nicht, ob er schon einen in der Krone hatte, dazu einlud. Besser jugendliche Lifeakts als die vertrockneten Fregatten in der ARD, dachte ich mir, staubte eine Flasche Asbach ab, die von meiner Einmann-Scheidungsfeier übrig geblieben war und bewegte mich gen Nachbarsgarten. Es war klirrend kalt und meine Lederjacke hielt nicht wirklich warm. Glücklicherweise hatten die jungen Leute ein altes Fass aufgestellt, in dem ein Feuer brannte. Nicht ganz ungefährlich. Auch ein Eimer Wasser stand bereit. AC/DC schmetterte ›Balls to the Wall‹ als ich die olle Scheune betrat. Die Headbanger waren schon recht gut abgefüllt, so mein Eindruck, als der erste vom Pissen nicht mehr wiederkam und man ihn später leicht unterkühlt hinter einem Holzstapel hervorzog. Die Ladys schenkten mir einen ekligen Trunk nach dem anderen ein und ich schluckte alles. Die Leute amüsierte es und ich plapperte im alkoholischen Überschwang sicherlich einigen Mist daher. Warum, ist mir bis heute nicht klar. Klar ist mir nur, dass ich dieses Jahr gänzlich vom Alkohol lassen werde. So wahr ich hier stehe, frisch gewaschen und gekämmt mit meinem Schild. Ich habe mich vor dem Eingang der City-Galerie postiert, in der Hoffnung, hier den meisten meiner potenziellen Kunden im Wege zu stehen und ins Auge zu fallen. Es ist nur kalt, nicht nass und so trete ich von einem Fuß auf den anderen, während die Menschen im Umtauschrausch an mir vorbeiziehen. Teilweise lächelnd, andere kopfschüttelnd. Engagiert hat mich noch niemand, ebenso wurde ich noch nicht angepöbelt. »Guck mal, da steht eine Ich-AG ... ob der schon den Börsengang geplant hat?«, unken zwei junge, gestylte Schnösel mit ihrem BWL-Studentenköfferchen
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