Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
nicke entschuldigend.
»Wissen Sie, diese T-Bone-Steaks … fantastisch, das darf man ja nicht sagen, aber ich habe direkt … Gut. Lassen wir das. Was ich eigentlich sagen wollte, Frau Lenartz, Sie können texten, aber können Sie auch schreiben?«
Ich richte mich etwas auf. Und sogleich schießt mir die Absage für den Kinderbuchroman in den Kopf.
»Sicher« – bin ich mir da nicht.
»Schön. Dann sehen wir uns morgen um acht Uhr unten vor dem Eingang. Benötigen Sie ein Diktiergerät oder andere Hilfsmittel?«
»Oh, ich besitze ein eigenes Gerät. Damit komme ich gut zurecht. Ich denke, das wird für den Anfang reichen.«
»Wunderbar. Dann, viel Erfolg!«
*
Ich kann meine Freundin schon von weitem erkennen, wie sie vor dem kleinen Spiegel in der Sonnenblende des Beifahrersitzes hockt und sich anstarrt. Ihre Augen sind geweitet vor Fassungslosigkeit, ihre Haare am Hinterkopf abstehend und die Lippen fest aufeinandergepresst. Ihre Miene und die wechselnde Kopflage von links nach rechts machen den Eindruck, als erkenne sie die Frau im Spiegel nicht. Schlagartig lässt meine gute Stimmung nach und mischt sich mit jedem Schritt, den ich weiter auf den Benz zugehe, mit diesem unguten Gefühl, was ich hier eigentlich gerade gemacht habe bei MeMa , was meine Freundin gerade gemacht hat und was wir beide jetzt als Nächstes machen sollen.
»Anna, da bist du ja endlich!«
Nachdem ich die Fahrertür sanft hinter mir ins Schloss fallen gelassen habe, sehen Lena und ich uns tief in die Augen. Ihr rotblondes Haar fällt ihr ins Gesicht, bis sie es mit einer eleganten Geste wieder hinter ihr Ohr schiebt.
»Sag mal, Lena, bist du vollkommen wahnsinnig, deinem Mann fremdzugehen?«
»Ich denke, ja.«
»Meine Güte.«
Lena versucht, sich zu sortieren, und klappt die Sonnenblende nach oben.
»Wir fahren jetzt erst einmal nach Hause. Zu dir nach Hause, Anna. Und dann sagst du mir, warum du dich bei einem Männermagazin bewirbst und wie es mit uns weitergeht. Ich meine, mit dir. Und mit mir. Okay?«
Statt zu antworten, drehe ich den Zündschlüssel rum.
*
Als Lena und ich uns in der Küche gegenübersitzen, habe ich absolut keine Ahnung, wie es weitergeht. Außer den kleinen Dampfschwaden, die aus den Teetassen aufsteigen, um durch den Raum zu wabern, bewegt sich nichts.
»War es das erste Mal?«
»Ja.«
»War es das letzte Mal?«
»Ja.«
»Ich verstehe.«
Lena rückt mit ihrem Stuhl nach hinten und springt auf. Mit hektischen Schritten bewegt sie sich vom Küchenschrank zum Fenster und wieder zurück.
»Ich verstehe leider gar nichts. Ich meine, warum habe ich das gemacht? Ich bin glücklich mit Thomas, glaube ich. Ich habe eine Tochter mit ihm. Ich arbeite mit ihm zusammen. Ich kann ihn gar nicht verlassen. Meine Mutter ist tot.«
Die aufsteigende Wärme des Tees macht die ohnehin schon vorherrschende Hitze in meiner Wohnung geradezu unerträglich. Im Sommer bietet es sich irgendwie nicht an, bei Problemen erst mal Tee zu trinken. Kurzerhand nehme ich die zwei Tassen und kippe ihren Inhalt mit der Verpflichtung, Lena jetzt in die Arme nehmen zu müssen, in die Spüle. Kurzerhand stelle ich eine gut gekühlte Flasche Weißwein zwischen Lena und mich auf den Tisch. Meine Freundin lächelt sanftmütig und sucht sich eine elegante Position auf einem der Stühle.
»Also, mal sehen. Wieso listest du Gründe auf, die dagegensprechen, sich von Thomas zu trennen?«
»Kein Mensch redet von Trennung. Könntest du bitte aufhören, von TRENNUNG zu sprechen!«
Der Wein plätschert in die Gläser. Lena nimmt sich eines, bevorich es komplett gefüllt habe, und pendelt erneut zwischen Fenster und Küchentisch hin und her.
»Es war so aufregend und leidenschaftlich und irgendwie gefährlich. Ich meine, bis vor einer Stunde. Es ist, als wäre ich gerade wach geworden«, erklärt meine Freundin zwischen zwei Schlucken Wein, »und meine Mutter mit ihren Regeln und Prinzipien ist nicht mehr da … Das ist verrückt, oder?« Lena stockt und zieht sich den perfekt sitzenden Blazer gerade. »Ich werde diesen Typen natürlich nicht wiedersehen!« Sie gleitet anmutig neben mir auf den Stuhl und schlägt die Beine übereinander. »Anna, ich werde ihn doch hoffentlich nicht wiedersehen?«
»Wieso fragst du mich das?«
»Du bist meine beste Freundin. Ich hatte mir Antworten von dir erhofft, nicht noch mehr Fragen. Ich habe schon genug davon in meinem Kopf.« Lena fährt sich unaufhörlich mit den Fingern über den
Weitere Kostenlose Bücher