Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
in einigermaßen nüchternem Zustand verabschiedet habe, schlüpfe ich aus meinen Klamotten und steige unter die Dusche. Anschließend ziehe ich Dessous und ein Sommerkleid an, warte, bis der Dunst vom Badezimmerspiegel verschwunden ist, und kämme mein nasses Haar. Ich creme das Gesicht ein, pudere es ab und ärgere mich über meinen Pony. Als ich mit der Grundversorgung meiner selbst im Badezimmer fertig bin, laufe ich durchs Wohnzimmer in die Küche und schalte den Fernseher über dem Kühlschrank an.
Während die Titelmelodie zu Susan Winters Solokitchen – Gutes Essen braucht keinen Mann läuft, stelle ich die Zutaten bereit, die ich nach der Interneteinkaufsliste besorgt habe.
»Hallo, meine lieben Damen! Wie geht es Ihnen …«, fängt Susan in meinem Rücken an zu reden, während ich die Weißweingläser in der Spülmaschine verstaue. Noch einmal geht mir Lenas wirrer Gesichtsausdruck durch den Kopf und die Tatsache, wie sehr es mich überrascht hat, dass ausgerechnet meine glücklich verheiratete, kindbescherte beste Freundin, die wirklich mehr als alles hat, fremdgeht. Die Spülmaschine klappt zu, meine Gedanken springen zu Herrn Bender. Zu morgen früh. Ich beiße mir auf die Unterlippe. Ging ich gerade meiner Werbeagentur fremd?
Ich fange an, wie Susan Winter die Tomaten aufzuschneiden, während ich mir überlege, was Lena eigentlich will, was ich will. Mein Blick fällt auf das Fernsehbild.
»Was wünscht sich eine Frau? Ein aufregendes, abwechslungsreiches, leidenschaftliches Leben mit unglaublichem Sex. Ist es nicht so, meine lieben Zuschauerinnen? Dann ist es im Übrigen völlig falsch, sich an einen Mann zu binden, statt die Artenvielfalt zu erhalten! Aber vielleicht suchen Sie auch jemanden, den Sie lieben können und umsorgen und bei dem Sie sich geborgen fühlen? In diesem Fall lassen Sie bitte die Finger ebenfalls von einem Mann. Wenn Sie jemand brauchen, der Sie in der großen weiten, beängstigenden Welt beschützt, dann legen sie sich Wertpapiere zu. Sie wollen jemanden, der Ihrer Meinung ist, kaufen Sie sich einen Papagei. Wollen Sie jemanden zum Kuscheln, borgen sie sich einen Hund – oder eines dieser riesigen Sitzkissen, die im Moment in Japan und den Staaten so angesagt sind.
Wenn Sie Drama brauchen, reicht meist ein Besuch bei der Verwandtschaft, und wenn Sie etwas gegen Ihre innere Leere tun möchten, essen Sie Ingwersuppe.
Nehmen Sie ein Knolle dieser Größe …«
*
Noch ehe ich mein Gericht vollständig zubereitet habe, klingelt es an der Tür. Eine Tatsache, die zwei Seiten hat, wie wohl alles im Leben. Auf der einen Seite hält mich dies von weiteren kochtechnischen Aktivitäten ab und bewahrt damit meine Küche vor größeren Renovierungsarbeiten. Auf der anderen Seite verpasse ich nun das Ende von Susan Winters Solokitchen , was ärgerlich ist, weil sie ihre Kochsendung immer mit einem Gerücht beendet, wer sich von wem frisch getrennt hat. Am nächsten Morgen steht es in der BILD-Zeitung. Am übernächsten sind sie tatsächlich immer getrennt. Ich vermute mittlerweile sogar, dass manche Promisabsichtlich zu Susan Winter gehen, damit die Katze endlich aus dem Sack ist. Wahrscheinlich zahlt Frau Winter dafür Unsummen. Und irgendwie passt das doch. Warum sollte eine Trennungsinfo weniger wert sein als Hochzeitsfotos oder Babybauchbestätigungen. Mich würde es nicht wundern, wenn Promis die Exklusivrechte der Fotos für den Tag danach an den Meistbietenden verhökern.
Ich knipse den Fernseher aus, noch ehe Susan Winter fragen konnte: »Ach, wissen Sie, wer sich getrennt hat!«, und laufe durch den Flur zur Wohnungstür. Im Vorbeigehen streift mein Blick die Wanduhr. Schon nach neun am Freitagabend. Lieber Gott, lass es nicht Lena sein. Ich verzichte auf die Verwendung des Spions und reiße die Tür stattdessen direkt auf.
»Alex!«
»Hallo Anna.« Er lächelt mit schiefem Kopf, zieht mich zu sich heran und küsst mich, dass mir Herz, Atem und jedweder Gedanke an Raum und Zeit für einen kurzen Augenblick verloren gehen. Umso heftiger rauscht das Blut durch meinen Körper, als Alex mich wieder vor sich absetzt.
»Ich bin in der Stadt.«
»Ich sehe es.«
»Kann ich reinkommen?«
»Ich habe Ingwer am T-Shirt.«
»Das T-Shirt interessiert mich nicht.«
*
Alex ist meine Artenvielfalt. Neben John aus den Staaten und meinem Nachbarn Tim, mit dem ich aber nur schlafen würde, wenn ein Notfall eintreffen würde, was noch nie passiert ist. Ich habe letztes Jahr,
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