Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke
davon in den Mund.
»Hier, probier mal. Die sind sehr süß.«
Ein sonnengereifter Tomatengeschmack breitet sich in meinem Mund aus. Moritz wartet meine Kritik nicht ab. Er greift zum Nudeltopf, erhitzt Wasser und Salz und sucht zwischen meinen Beinen nach einer Pfanne im Schrank.
Ich verschränke die Arme.
Also gut.
Hier stimmt doch was nicht.
In meinem Kopf rattert es, während in der gefundenen Pfanne der Knoblauch im Olivenöl schwimmt.
»Weißt du, du konntest dich wirklich unglaublich gut an die Dinge erinnern, die Susan im Interview gesagt hat. Wo sie gern Urlaub macht, was ihr Lieblingscurrygericht ist und dass sie schon mal mit zwei Männern gleichzeitig geschlafen hat.«
Moritz schweigt und schiebt eine Tüte Spaghetti ins brodelnde Salzwasser.
»Du schwärmst für sie, gib’s zu! Deswegen warst du auch so unhöflich zu ihr beim Shooting. So wie du es zu mir warst, als wir uns kennen gelernt haben. Dich machen Frauen nervös, die du magst!«
»Anna! Kannst du jetzt mal damit aufhören! Ich möchte mit dir zusammen sein. Ich möchte mich deinen Freundinnen vorstellen. Ich möchte Verantwortung übernehmen. Ich laufe nicht davon, nur weil du anfängst, mir etwas zu bedeuten. Ich bin hier! Ich bin bei dir. Okay?«
Sein Okay klingt irgendwie nicht okay.
»Okay. Ist ja gut.«
Mein Okay klingt irgendwie nicht okay.
Er zieht mich auf der Arbeitsplatte zu sich heran und küsst mich vom Mund über den Hals bis zu meinem Dekolleté. Seine Hände wandern an meinem Rücken hinab, sein Gesicht vergräbt sich in meinen Haaren. Mir wird heiß. Meine Haut beginnt unter Moritz’ Händen zu kribbeln. Ich drücke ihn an mich, küsse ihn und vergesse Susan Winter, während neben uns das Nudelwasser überkocht.
24.
Kollateralschäden
I ch drehe den kleinen Zettel in meinen Fingern hin und her. Ein paar Zahlen mit Kugelschreiber sind daraufgekritzelt. Schließlich lege ich ihn auf den Tisch zwischen Lena und mir, tippe darauf und beschließe: »Ich werde ihn ihr geben.«
»Bist du wahnsinnig? Du willst dem Junkie sein Speed ausliefern?« Entschlossen stellt Lena ihren Cocktail auf den Tisch.
»Du kannst Astrid doch nicht mit einem Abhängigen vergleichen!«
Lena lehnt sich in ihrem Stuhl in der PETIT CUISINE nach hinten und zieht eine Schnute.
»Mal sehen: massive Entzugserscheinungen, Beschaffungskriminalität, Stimmungsschwankungen und der komplette Verlust von verstandsorientiertem Verhalten. Ich denke, die Liebe ist eine verdammt gefährliche Droge.«
»Hm.«
Lena und ich greifen zu unseren Cocktailgläsern und stoßen damit an. »Wo du recht hast …«
Kaum kippen wir den süßlichen Alkohol herunter, fällt mein Blick auf die Straße. In Lenas Rücken nähern sich zwei Gestalten dem Laden. Das Glöckchen über der Tür verkündet ihr Erscheinen, noch ehe ich meine Freundin warnen kann.
»Was für eine Überraschung, ausgerechnet Sie hier zu sehen«, stoße ich aus und stehe von meinem Stuhl auf, als könne ich die drohende Gefahr so abwenden.
»Hallo!«, singt die schwangere Mona. »Wir wollen nicht lange stören.« Mit einem blonden Mann an ihrer Seite, der verlegen lächelt, betritt Mona die PETIT CUISINE. Ihre Ausstrahlung ist derart friedvoll und glücklich, dass ich schon fast Sorge habe, die Schwangerschaftshormone könnten zu mir und Lena überschwappen. Das dies jedoch vorerst noch nicht der Fall ist, entnehme ich Lenas Gesichtsausdruck, der so rein gar nichts mit friedvoll und glücklich zu tun hat.
»Wie darf ich diesen Auftritt verstehen?«
»Oh, ich wollte nur …«
Lena unterbricht Mona mit dem Aufspringen vom Stuhl. Mit verschränkten Armen und bösem Blick geht sie auf Mona und den blonden Mann an ihrer Seite zu.
»Sie wollten nur was? Und wer sind Sie überhaupt?«
»Ich bin Robert«, antwortet dieser folgsam und reicht Lena die Hand. Meine Freundin denkt nicht daran, ihre verschränkten Arme zu lösen.
»Oh. Er ist der Vater des Kindes«, erklärt Mona beiläufig sein Erscheinen.
Der Vater des Babys?
Meiner Freundin fällt die Farbe aus dem Gesicht.
Ich sinke zurück auf den Stuhl.
Wo war noch mein Cocktailglas?
»Und wir sind nur hier, um Ihnen viel Glück für Ihr kleines Restaurant zu wünschen.«
»Für mein kleines Restaurant?«, stockt Lena.
»Wir verlassen heute Abend noch die Stadt.«
»Sie. Und das Baby. Und Robert.«
Mein Cocktailglas ist leer. Ich greife zu Lenas Glas, während diese fast umkippt.
»Ja. Und ich wollte Ihnen noch sagen, dass ich nie
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