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Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke

Titel: Einzelstücke - Möller, M: Einzelstücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michaela Möller
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wirmich zum Beispiel. Ich bin sehr unglücklich darüber, dass ich glücklich bin. Und das nur, weil ich eine Frage gestellt habe, auf die ich eine Antwort bekommen habe.
    Ich bin eindeutig irgendwie krank.
    Das Klingeln meines Telefons durchkreuzt meine Eigenanamnese und lässt mich vom Sofa hochfahren.
    »Astrid? Was gibt’s?«
    »Anna! Ich weiß mir nicht mehr zu helfen! Ich drehe noch durch«, höre ich meine Freundin am anderen Ende von Köln weinen. »Ich will ihn wieder zurück. Ich will meinen Sebastian wieder zurück! Und außerdem habe ich etwas ganz schrecklich Peinliches gemacht. Kannst du mich bitte abholen?«
    Ich winde mich schlagartig vom Sofa.
    »Sicher. Wo bist du denn?«
    »Vor dem Haus von Sebastians Eltern. Und beeil dich bitte, die Polizei wird auch gleich hier sein.«
    *
    Ich nehme zwei Stufen gleichzeitig die Treppe hinab. Im Hinterhof treffe ich Frau Sondtheim mit dem Kopf in der Mülltonne, nur um mal kurz zu durchstöbern, was die Hausbewohner so alles entsorgt haben in den letzten Tagen.
    »Ach, das Fräulein Lenartz. Schon wieder am Streunern? Benutzen Sie gar keine Bürste?«
    Ohne zu antworten, steuere ich auf den Benz zu. Als ich die Tür hinter mir zuschlage und aus dem Hinterhof fahre, höre ich nicht mehr, was meine Nachbarin mir noch Herzliches mit auf den Weg gibt. Ihrem wilden Herumgefummel mit den Armen und den kleinen Furchen nach, die sich in die Stirn zwischen ihren Augengraben, zu urteilen, war es aber wahrscheinlich eher kein »Und fahren Sie vorsichtig!«.
    Während sich der Benz durch den Innenstadtverkehr quält, steigt meine Anspannung immer mehr. Nachdem schließlich jede Ampel, die ich angefahren habe, auf Rot umgesprungen ist, biege ich endlich in die Wohnstraße der Eltern von Sebastian ein. Vor ihrem schmucken Einfamilienhaus sehe ich bereits aus der Ferne Astrid heulen. Außerdem erkenne ich einen Briefträger, der irgendeinen Ablauf pantomimisch für zwei Streifenpolizisten nachstellt und dabei wild schreit. Er tanzt um sein Fahrrad, als sei er ein Hühnchen, das gerupft werden soll. Zu allem Überfluss an Peinlichkeit stehen auch noch Sebastians Eltern sich gegenseitig stützend in ihrer Eingangstür und schütteln nur mitleidig den Kopf.
    »Was ist denn passiert?«, frage ich, als ich aus dem Wagen springe.
    »Und wer sind Sie?«, faucht mich der Postbote an, während Astrid mir tränenüberströmt in die Arme fällt.
    »Ach, Sie gehören zu dieser Verrückten! Wissen Sie, was diese Person gemacht hat?!«
    »Sicherlich nichts, wofür es die Klärung durch die Polizei benötigt«, versuche ich Astrid zu verteidigen.
    »Diese Verrückte hat mich fast von meinem Fahrrad gezerrt, als sie mich hat kommen sehen, um mir anschließend unter Gewaltanwendung die Post dieser netten Leute hier zu entreißen.«
    »Das kann ich mir nun wirklich nicht vorstellen.«
    Dummerweise kann ich es mir bei meiner lieben, impulsiven Freundin Astrid eigentlich doch ganz gut vorstellen.
    »Ach ja!«, stürmt der Briefträger auf mich zu und reißt sein Hosenbein hoch. »Und was ist das? Meinen Sie, ich bin von ganzalleine vom Fahrrad gefallen auf gerader Strecke und habe mir selbst diese Fleischwunde zugefügt?«
    Die Polizisten treten einen Schritt näher und sehen sich das blanke Bein des Briefträgers genauer an.
    »Ähm«, räuspert sich einer der beiden und wendet sich an den zitternden Körper in meinem Arm, »haben Sie tatsächlich den Postboten durch Gewalteinwirkung von seinem Fahrrad befördert?«
    »Ja«, kommt es zaghaft von meiner Seite.
    »Und haben Sie dies getan, um ihm seine Post zu klauen?«
    »Ja.«
    »Würden Sie uns bitte aufs Revier begleiten!«
    *
    So. Jetzt ist es amtlich. Die Liebe macht verrückt, wahnsinnig und kriminell. Sie entfernt dich von deinem Verstand und lässt dich Dinge tun, die in unserer Gesellschaftsform als »anormal« gelten.
    Warum eigentlich? Ist denn hier sonst keiner verliebt?, frage ich den leeren Warteraum des Polizeireviers. Aus Liebe einen Postboten umnieten! So etwas sollte großmedial anerkannt statt angezeigt werden.
    Meine Finger wandern nervös über meine Oberschenkel, als sich die Eingangstür des Polizeireviers öffnet und ein dunkelhaariger, schlanker Mann den Raum betritt.
    »Sebastian!«
    »Anna!« Sebastian rutscht neben mir auf einen freien Stuhl. »Ist es wirklich wahr, was mein Vater mir gerade am Telefon gesagt hat? Hat Astrid tatsächlich einen Briefträger angegriffen, um die Post meiner Eltern zu stehlen?«
    »Ja«,

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