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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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Spritze. Warten. Hoffen.

    Er hatte gelächelt. Von einem Augenblick zum anderen. Sie hatte seine Hand genommen, sie fest gedrückt. Tränen, Zittern, Schluchzen. Glück.

    Es klopfte. Erschrocken fuhr sie auf und brauchte einen Augenblick, um sich ihrer Lage zu besinnen. Sie war zuhause. Alles war gut. Mühsam richtete sie sich auf und ging zur Tür.

    „Guten Tag, die Madame schickt mich. Eine Korsage ist kaputtgegangen und muss ausgebessert werden.“ Li lächelte und zog den beschädigten Stoff aus der Tasche. Ein einfacher Riss. Die Naht hatte den Belastungen der Nacht nicht standgehalten. Fei und ihre langen Nägel … die freundliche Alte führte sie ins Innere einer erbärmlichen Behausung. Mehr Hütte als Haus. Aber es flackerte ein Feuerchen im Kamin, das etwas mehr Wärme und Behaglichkeit versprach als der eisige Morgen dort draußen. Josephine Norly bedeutete ihr, sich zu setzen. Mit leichter Beklemmung kam sie der Aufforderung nach. Die Luft roch seltsam muffig. Nicht so, wie es bei älteren Leuten oft der Fall war. Sie war fauliger, traniger. Als läge hinter der wasserfleckigen Holzverkleidung eine Ratte und verweste. Sie verwarf den unappetitlichen Gedanken und rückte dichter an den Kamin.
    „Ein frischer Morgen heute.“
    Josephine murmelte eine Antwort und fischte Nadel und Faden aus einem kleinen, abgegriffenen Kästchen.
    „Ich soll Sie von der Madame grüßen. Sie hofft, es geht Ihnen gut und wünscht sich, Sie bald treffen zu können. Vielleicht auf einen Tee.“
    Ihr Gegenüber begann schweigend, die Nadel in den Stoff zu treiben. Li lehnte sich unsicher zurück. Die Wärme der Flammen prickelte angenehm auf der Haut. Am liebsten hätte sie für einen Moment die Augen geschlossen. Nur für einen ganz kurzen. Aber sie riss sich zusammen. Josephine konnte sicher kein schnarchendes Opiummädchen in ihrem Haus brauchen, und die Madame wäre außer sich, wenn sie davon erführe. Warum sie sie allerdings immer wieder zu der sonderbaren, stillen Frau schickte, um einfachste Näharbeiten erledigen zu lassen, war ihr schleierhaft. Jede Hausfrau konnte so etwas, oder sollte es zumindest. Vielleicht, damit der Kontakt zwischen den alten Freundinnen nicht abriss, dachte sie. Vielleicht aus Mitgefühl für die Witwe, die einsam in ihrer Hütte lebte. Ihr Ehemann galt als vermisst. Kurz nach der schweren Krankheit. Tot höchstwahrscheinlich. Ins Meer gestürzt und ertrunken. Von Raufbolden so schlimm verprügelt, dass er den Verletzungen erlegen war. Es war eine traurige Geschichte, die sich in das Leben der Josephine Norly geschlichen hatte. Traurig, wie so viele auf Æsta.

    Etwas klopfte. Dumpf, wie der schmerzhafte Schlag eines Ellbogens oder Knies gegen altes Holz. Das seltsame Geräusch wiederholte sich. Eindringlicher diesmal. Verzagter.
    „Was … was ist das?“ Li blickte sich verunsichert um. Die nackten Wände, die farblose Decke. Der Boden. Ihr Blick heftete sich auf das abgetretene Holz, und etwas in ihrem Magen zog sich zusammen. Ein weiteres Geräusch drang aus der Tiefe empor. Unterdrückt und gepeinigt. Sie wagte nicht, es als Klagen zu identifizieren, als etwas, das einer Kehle entsprungen war. Hilfesuchend wandte sie sich Josephine zu. Doch diese hatte Nadel und Faden schon aus den altersfleckigen Händen gelegt und sich erhoben. Eine schroffe Geste wies Li an, auf ihrem Platz zu bleiben. Der Blick allerdings enthielt ein wimmerndes Flehen. Eine wortlose Bitte, der sie Folge leistete. Josephine ging durch den Raum, hielt in einer Ecke inne und bückte sich. Holz knarzte. Eine Luke im Boden öffnete sich. Li reckte den Hals, um mehr sehen zu können. Blasses Licht tastete sich gespenstisch aus der Öffnung. Der Geruch, der ihm folgte, war erbärmlich. Eine Mischung aus Kellermief, Schweiß, Urin und Fäkalien. Bilder von verklebtem Staub und moderndem Fleisch stiegen in ihren Gedanken auf. Sie versuchte, die Luft anzuhalten, nach einer logischen Erklärung zu suchen. Fieberhaft dachte sie nach. Es war nur ein Vorratskeller. Schmutzig. Wahrscheinlich war ein Tier dort verendet, oder Josephine hatte Fisch gehortet, der nun vergammelt war. Alte Leute sammelten schließlich alle möglichen Sachen an. Für schlechte Zeiten. Als Notreserve. Holz knarrte, und ihre Gastgeberin verschwand, wahrscheinlich auf einer schmalen Treppe, in der Luke. Li atmete tief durch. Josephines Anweisungen waren eindeutig gewesen. Sitzenbleiben. Sie klammerte sich an die Lehne des Stuhls, horchte angespannt. Es

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