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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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spröder Stimme erzählte er ihre Geschichte. Eine traurige, wie so viele auf Æsta.
    Die Bilder, die ihr inneres Auge widerwillig formte, waren abseitig und grotesk. Ein Laboratorium. Professor Roþblatt. Bizarre Geräte und Maschinen, Arzneien und chemische Mixturen. Er hatte sie den ganzen Weg dorthin getragen. Das Fieber hatte aufgehört zu wüten. Statt von dem erbarmungslosen Husten geschüttelt zu werden lag sie nun reglos in seinen Armen. Ihr Körper hatte den Kampf verloren. Kapituliert. Sie atmete nicht mehr. Das Herz stand still. Gott war irgendwo da draußen. Sah zu, unternahm nichts. Schwieg. Er verfluchte ihn wortlos.
    Professor Roþblatt ging über Grenzen, ignorierte alle Bedenken und jegliche Ethik. So viel Blut. Er konnte das Innere ihres Schädels sehen, als Roþblatt die brachliegenden Reste ihres Hirns reaktivierte. Der Professor hatte Josephine immer gemocht und war gern auf eine Tasse Tee zu ihnen gekommen. Sie hatten geplaudert, während Josephine seine Anzüge genäht und Socken gestopft hatte. Er hatte sie immer bei ihrem zweiten Vornamen angesprochen, erinnerte er sich. Michelle. „Shelly“ hatte er sie zärtlich genannt.
    Das Holz der Luke knarrte unheilvoll. Ein hämischer Vorbote, der Unglück verkündete. Sie sah ängstlich hinauf, sah etwas flattern. Ihre geflickte Korsage, einen hübschen, geblümten Rock. „Sie wird mich einkleiden“, schoss es durch ihre Gedanken. Zu einer Puppe machen, die in der dreckigen Ecke bei dem Friesenjungen kauern muss.
    Josephine – Shelly – kam die knarrende Treppe runter. Ihr Ehemann blickte aufgewühlt und panisch umher, zu geschwächt von dem verzweifelten Versuch seiner nächtlichen Flucht und der anschließenden Bestrafung.
    Li wartete in der Ecke, den Knüppel fest umklammert. Das Tote stieg herab.

Das Ægyptische Axiom

    von Stefan Holzhauer
    S eit dem zehnten Jahrhundert hielten Eis und Kälte die bekannte Welt in ihrem klirrenden Griff. Wiewohl es in südlicheren Gefilden erträglich warm war: Je weiter man sich nach Norden begab, desto unwirtlicher wurde das Land, widerspenstig schien es sich gegen den nur scheinbar zerbrechlichen Menschen aufzulehnen, und höchstens Unwegsame, Verzweifelte oder Gierige ertrugen die Bedingungen um die nördlicheren Breitengrade.
    Die ænglische Insel war wie Irland zu großen Teilen von einem undurchdringlichen Gletscher bedeckt. Nur im Westen und Norden Londons fand man Wald, Wölfe und noch ein paar unbeugsame Pikten, die es für unter ihrer Würde hielten, die Kälte, die weite Teile Europas geißelte, als störend zur Kenntnis zu nehmen. Ohnehin konnten sich die Stämme auf ihre mündlichen Überlieferungen besinnen, die besagten, die letzte Eiszeit sei so lange noch gar nicht vergangen – und die hatten ihre Ahnen ebenfalls überlebt.
    Im Süden Ænglands und auf dem Festland sah man das anders. Es war gelungen, sich mit den Temperaturen zu arrangieren, man hatte es trotz der unwirtlichen Bedingungen verstanden, dem Land nicht nur ein Leben abzutrotzen, sondern war zuletzt sogar im Stande gewesen, sich dem Fortschritt zu widmen, die Wissenschaft und die Technik voranzutreiben, die als Ausweg, als Chance, gesehen wurden. Mit der aus Kohle, Elektrizität und Wissen neu gewonnenen Wärme versuchte man, die Kälte aus Leibern und Gedanken zu vertreiben. Mit unterschiedlichem Erfolg, insbesondere, was Letzteres anging.
    Je weiter man nach Süden vordrang, desto besser wurden die Bedingungen. Die Alpen stellten eine natürliche Grenze dar, die sich dem ewigen Frost widersetzte, bereits in der Po-Ebene ließ es sich recht passabel leben. Doch erst jenseits des Mittelmeers, in den Gefilden Nordafrikas, merkte man zumindest in den Sommern nichts mehr von den eisigen Klauen des Frostes und die Winter waren nicht selten sogar schneefrei. Wie es noch weiter südlich aussah, wusste so gut wie keiner. Afrika bestand zu großen Teilen nach wie vor nur aus weißen Flecken auf den Landkarten, und Zulu, Hausa und Igbo sorgten nachdrücklich dafür, dass dies auch so blieb.

    Heinrich griff seinen Wanderstab fester und schritt den kleinen Hügel hinan. Gras umspielte seine Füße, Blumen reckten die Köpfe der Sonne entgegen. Der Rheinländer vertrieb die eiskalten Gedanken. Mochte es in Europa auch noch so kalt sein, hier in Ægypten musste es einem wie im Paradies erscheinen. Es war zwar nicht heiß, wie es laut Legenden vor Urzeiten in diesen Landstrichen gewesen sein sollte, bevor die nördliche Welt durch die

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