Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Titel:
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt
als er. Was aber daran liegen mochte, dass ihre Bekleidung, wenn man die wenigen, leicht durchsichtigen Stücke Stoff denn als solche werten wollte, wohl nur durch einige Knoten und Schnüre am Leib gehalten wurden. Einmal gelöst, stand sie nach wenigen Augenblicken splitternackt da.
Nummer Eins weidete sich an ihrem Anblick, der weniger schlimm war, als er erwartet hatte. Doch dann musste er feststellen, dass die Dame keine Anstalten machte, ihm zu helfen. Stattdessen setzte sie sich aufs Bett und sah ihn abwartend an. Sollte er sich jetzt etwa vor ihr ausziehen? Das schickte sich nun wirklich nicht.
Er knöpfte die Weste wieder zu, deren obersten Knopf er gerade geöffnet hatte, und setzte sich auf den einzigen Stuhl des Zimmers.
„Ich schlage vor, wir unterhalten uns erst einmal.“
„Ja, manche wollen nur reden. Klappt halt nicht mehr bei jedem.“
Nummer Eins errötete und winkte heftig ab.
„Das ist es nicht.“ Er schluckte. Die Frau war tumb, und doch lenkte sie das Gespräch in eine unerquickliche Richtung.
„Ich würde gern über die Stadt und die Gegend reden“, versuchte er, das Thema zu wechseln.
„Aha.“
„Wenn es ein so vornehmes Haus wie das hiesige gibt, gibt es sicher auch viele zahlungskräftige Kunden, nicht wahr?“
Sie zuckte die Achseln.
„Geht.“
„Manchmal auch Fremde? Bayern? Oder möglicherweise Friesen?“
Stolz beobachtete er sie. Geschickt hatte er die Unterhaltung auf das richtige Thema gelenkt. Aber bei ihr gab es keine Reaktion. Doch, Nummer Eins sah, wie sich hinter ihrer Stirn etwas tat. Er vermeinte Zahnräder zu sehen, die sich drehten und langsam ineinander griffen.
„Ja, manchmal sind hier auch Fremde“, war das Ergebnis ihrer Anstrengungen.
„Auch Friesen?“
Sie nickte. Dann hellte sich ihr Blick auf.
„Jetzt verstehe ich. Sie wollen es auf Friesisch.“
Nummer Eins begriff nicht. Auf Friesisch? Wie paarten sich denn die Friesen? Schreckliche Bilder zogen an seinem inneren Auge vorbei. Angst stieg in ihm auf. Er sprang auf und schnappte seinen Mantel. Chantalle sah ihn verständnislos an, aber das mochte bei ihr ein Dauerzustand sein.
In der Tür drehte er sich ein letztes Mal um.
„Wo kommen die Friesen her? Aus den Bergen?“
Sie nickte.
„Welche Richtung?“
Sie hob den Arm, ließ ihn nach kurzem Überlegen wieder sinken.
„Nordwesten, hat einer mal gesagt, als ich gefragt habe, wo er herkommt.“
„Nordwesten“, brummte Nummer Eins. Was lag dort? Egal, erst mal weg hier.
Er griff in die Weste, holte einen Geldschein hervor und lies ihn ins Zimmer segeln. Noch ehe der Schein unter den wachsamen Augen Chantalles den Boden berührt hatte, war Nummer Eins aus dem Haus verschwunden.
„Ich habe leider nichts Neues in Erfahrung bringen können.“
Nummer Eins hatte nichts anderes von Nummer Zwei erwartet. Der Mann, inzwischen dank seines Vollbarts einem Harzer sehr ähnlich, stand in einer dunklen Ecke neben dem Hotel. Nummer Eins hatte gute Lust, ihm seine Untauglichkeit ins Gesicht zu brüllen. Doch dies war der falsche Ort, und er hatte zu gute Laune dafür.
„Macht nichts, mein Guter. Dafür habe ich Informationen beschafft.“
„Wirklich?“
Nummer Zwei sah ihn mit echter Überraschung an, senkte dann aber schnell den Blick.
„Ja. Ein Mann wie ich, der bei den Besten ausgebildet wurde, kann auch in dieser Umgebung mit den Einheimischen fraternisieren und Informationen erhalten, die man nicht einmal der eigenen Mutter gäbe.“
„Was haben Sie erfahren?“, fragte Nummer Zwei.
„Es geht nach Nordwesten. Von dort kommen die Friesen, die manchmal in dieser Stadt anzutreffen sind.“
„Südwesten also“, brummte Nummer Zwei halblaut.
„Nein, Nordwesten.“ Nummer Eins wurde unleidig. „Wenn wir diese Ermittlung abgeschlossen haben, kommt der Bart wieder ab. Der macht Sie ganz …“, er überlegte, „... friesisch im Kopf.“
Nummer Zwei sah ihn mit undeutbarem Gesichtsausdruck an und nickte dann langsam.
Am nächsten Morgen ging es per Pferdeschlitten weiter nach Westen. Nach Nordwesten gab es leider keinen direkten Weg.
Weg war im Harz ohnedies ein dehnbarer Begriff. Bis nach Hasselfelde war die Straße breit und gut genug für eine Karbiddroschke gewesen, doch ab hier gab es nur noch bessere Fußwege.
Der Pferdeschlitten kam entsprechend langsam vorwärts. Sogar eine Rast mussten sie machen, weil der Schlittenführer, ein kleiner, nach billigem Schnaps stinkender Mann, darauf bestand, seine Pferdchen
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