Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Titel:
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt
„Bringt sie zurück in ihre Zelle, wenn ihr fertig seid.“ Dann ging sie.
Das Brennen und der Geruch der Flüssigkeit ließen Samanða schwindeln. Ihr war übel, sie hatte das Gefühl, sich übergeben zu müssen, sie glaubte zu ersticken. Dann verließ sie die Kraft, weiter zu schreien. Sie saß in der Wanne, bis zum Hals in der ekelhaften Brühe, leise schluchzend, und die Tränen rannen über ihre Wangen, als ein Wächter ihr Haar bis zur Kopfhaut schor. Als er fertig war, tauchte er ihren Kopf in der Brühe unter, immer wieder.
Endlich hoben sie sie aus der Wanne. Sie konnte sich nicht auf den Beinen halten und sackte auf dem Fliesenboden zusammen. Sogleich traf sie ein scharfer Wasserstrahl. Sie krümmte sich unter ihm …
Frieder, wenn du Anführer sein willst, dann sei es. Aber mach, dass es aufhört. Ich will doch nur fliegen. Hinaus aus dem Sturm. Warum ist der Weg aus dem Sturm immer mitten hindurch? … und es tut so weh!
Am Vortag war die weiße Frau zu ihr gekommen.
Sie mussten sie irgendwann zurück in die Zelle geschleppt haben, Samanða konnte sich nicht erinnern. Die widerliche Flüssigkeit hatte jedes Härchen von ihrem Leib gebrannt, ihr Schädel war kahl, und dort, wo ihre Augenbrauen gewesen waren, war jetzt blutiger Schorf, weil sie sich kratzte und kratzte, weil sie nicht glauben konnte, was geschehen war … was geschah … was alles noch geschehen würde.
„Ich bin im Sturm“, sagte sie laut, um wenigstens eine Stimme – ihre Stimme - zu hören. „Alles ist still. Im Auge des Sturms ist es still, und doch bin ich im Sturm. Mitten im Sturm.“ Sie weinte ein wenig. Es half nichts. Es machte es nicht leichter. Sie würden wiederkommen.
Sie kamen wieder.
Samanða trug ein graues Hemd, das ihr bis zu den Knien reichte. Sie ging hinter den Wächtern her. Diesmal wurde sie in ein anderes Zimmer geführt. Seltsame Gerätschaften standen hier. Blinkend, zischend, ratternd.
Sie verstand sie nicht. Musste sie es? Nein. Ich bin im Irrenhaus. Also bin ich verrückt. Die weiße Frau hat es gesagt. Sie werden mich gesund machen, und dann fliege ich durch den Sturm, hinaus aus dem Auge des Sturms … hinaus in die Freiheit …
Der Mann mit dem Monokel stützte sich auf seinen Gehstock, als er sich über sie beugte und sie anblickte. Er ließ sie auf einen Stuhl setzten, der beinahe eine Liege war. Die Männer fixierten ihr Hände, Oberkörper und Kopf mit Lederriemen.
„Warum tut ihr das?“, wollte Samanða fragen. „Ich werde mich nicht wehren.“ Möglicherweise stellte sie die Frage auch. Sie wusste es nicht mehr. Es spielte keine Rolle. Sie bekam sowieso keine Antwort.
Die weiße Frau war auch da. Sie befestigte etwas an Samanðas Kopf. Etwas stach sie ihr in den Arm. Etwas klebte sie ihr auf die Oberschenkel, kurz über den Knien. Es hingen Drähte daran.
Der Mann mit dem Monokel ging zu dem Schrank mit den blinkenden Lichtern und wandte sich ihr noch mal zu.
„Bist du der Professor?“, fragte Samanða. „Bist du Professor Roþblatt?“ Möglicherweise dachte sie es auch nur. Denn sie bekam keine Antwort.
Der Mann mit dem Monokel betätigte einen Hebel an dem blinkenden Schrank.
Schmerz durchfuhr Samanðas linkes Bein, von der Hüfte bis zu den Zehen. Sie schrie. Der Mann mit dem Monokel sah sie an. Enttäuscht. Hatte sie etwas falsch gemacht? Er drehte einen Knopf, drückte einen Schalter, betätigte wieder den Hebel. Diesmal war der Schmerz im anderen Bein. Es zuckte, ohne dass Samanða es wollte. Der Mann nickte. Die Frau veränderte die Position der Drähte an Samanðas Schenkeln.
Der Mann mit dem Monokel kippte den Hebel von links nach rechts, von links nach rechts, von links nach rechts …
Samanðas Beine zuckten, links und rechts und links und rechts und links und rechts …
Samanða schrie wieder. Konnte ein Mensch so viel schreien, ohne dass die Stimmbänder rissen?
Der Mann mit dem Monokel lachte zufrieden.
Die Frau legte Samanða die Hand auf die Schulter. Es fühlte sich fast wie ein Streicheln an. „Wir wissen, dass es funktioniert, Professor“, sagte sie.
„Wir wissen noch nicht genug“, sagte der Professor und riss den Hebel von links nach rechts und zurück. „Wir wissen noch nicht genug!“
Samanðas Beine zappelten und schlugen in die Luft. Sie spürte sie nicht mehr. Sie gehörten nicht mehr ihr.
„Meine Beine gehen fort, sie gehen in die Freiheit, und sie nehmen mich nicht mit“, dachte Samanða und hörte auf zu schreien. In den Beinen
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