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Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)

Titel: Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mike Krzywik-Groß , Torsten Exter , Stefan Holzhauer , Henning Mützlitz , Christian Lange , Stefan Schweikert , Judith C. Vogt , André Wiesler , Ann-Kathrin Karschnick , Eevie Demirtel , Marcus Rauchfuß , Christian Vogt
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tat es nicht mehr weh. Nur noch im Herzen.

    „Kapitän“, sagte Jan. „Das Schiff fällt auseinander, wenn wir da nicht bald durch sind.“
    Kapitänin Samanða Halkins nickte. Sie hörte, wie die Metallbolzen in den Verstrebungen brachen. Sie hörte, wie sich die dünne Haut der Hülle dehnte, spürte, wie die Fasern rissen, eine nach der anderen. „Vielleicht bin ich doch nicht die Beste“, dachte sie. Aber brauchte es einen solchen Sturm, um das zu erkennen? Wie viele werden mit mir sterben?
    Ein Windstoß erfasste das Schiff und legte es auf die Seite. Samanða hörte die Passagiere schreien, hörte das Krachen zerberstenden Mobiliars, spürte, wie der Wind durch die berstenden Fenster fuhr, wie der Sturm ins Schiff drang, um es nicht nur von außen, sondern auch von innen zu vernichten. Samanða riss das Ruder herum, um den Bug des Schiffs wieder in den Wind zu bekommen, um ihm weniger Angriffsfläche zu geben.
    Das Luftschiff erzitterte und bebte. Die Menschen schrien …

    Der Boden unter Samanða schien zu zittern. Für einen Augenblick wusste sie nicht, wo sie war. Es war außerordentlich hell in ihrer Zelle. Das lag daran, dass die Tür einen Spalt geöffnet war, und diese Entdeckung lenkte sie eine Weile davon ab, die zweite Veränderung zur Kenntnis zu nehmen: Die allzu vertraute Stille war gewichen.
    Schreie, Krachen, Poltern. Etwas ging zu Bruch – und war das eben ein Schuss gewesen?
    Samanða versuchte aufzustehen, aber ihre Beine versagten ihr den Dienst. Sie massierte ihre Waden. Immerhin spürte sie sie. Nach jeder Behandlung, die ihr der Professor hatte angedeihen lassen, hatte es länger gedauert, bis das Gefühl in die Beine zurückgekehrt war.
    Noch einmal versuchte sie aufzustehen. Diesmal gelang es ihr, auch wenn sie sich an der Wand abstützen musste. Sie stolperte zur Tür. Was war passiert? Der Lärm hielt an, aber der Flur lag verlassen da. Ohne nachzudenken, verließ Samanða ihre Zelle und hinkte den Gang entlang. Nach wenigen Schritten stieß sie auf den ersten Toten. Er trug ein graues Hemd, wie sie. Das Erstaunen war in seinem toten Gesicht eingefroren. Was hatte ihn in Staunen versetzt?
    Allein die Tatsache, dass es ihr mit jedem Schritt leichter fiel, ließ Samanða weitergehen. Noch mehr Tote. Ein weiterer Patient. Dort ein Pfleger im weißen Kittel und dann eine groteske Gestalt, die nicht aussah, als habe sie gelebt, ehe sie niedergestreckt wurde. Samanða wollte sie nicht sehen und ging schnell weiter. Die Jahre in den Armenvierteln Æstas ließen sie den Weg wählen. Ohne zu denken, wich sie dem größten Lärm aus, wich zurück, als sie eine Bewegung wahrnahm. Einmal glaubte sie sogar, Professor Roþblatt zu sehen, wie er in Begleitung weiterer Gestalten durch einen Gang hetzte.
    Samanða wählte einen anderen Weg. Niemand hielt sie auf. Niemand beachtete sie.

    Samanða kniff die Augen zusammen, als sie ins Freie trat. Wie lange hatte sie kein Tageslicht gesehen? Sie zitterte, hatte sie doch nur den grauen Kittel am Leib und keine Schuhe an den Füßen. Die Luft war kalt, und trotz Pulverdampf atmete Samanða tief durch. Langsam konnte sie sich wieder erinnern. Der Fisch händler. Die Arrestzelle. Die weiße Frau. Das Bad. Roþblatt. Die Nadeln und Drähte in ihrem Leib … und Frieder.
    „Frieder, ich bring dich um!“, dachte sie.
    Pulverdampf?
    Weshalb rieche ich Pulverdampf?
    Menschen in Arbeiterkluft liefen vor ihr durch die Straße. Sie trugen Knüppel und Prügel bei sich. Samanða duckte sich hinter eine Mauer und ließ sie passieren. Dann lief sie den eisigen Berg hinab. Überall wurde geschrien und gekämpft, Menschen rannten durch die Straßen, fielen und sprangen, töteten und starben. Arbeiter schlugen auf Polizisten ein; Bettler und Hausfrauen zertrümmerten Türen und Fenster, plünderten Geschäfte und Wohnungen.
    Was war passiert? Hatten die Gewerkschaften zum Generalstreik aufgerufen, wie schon so lange geflüstert worden war, dass keiner mehr daran glaubte? Waren die Ausschreitungen aus dem Ruder gelaufen?
    Aber wieso kreisten Luftschiffe am Himmel? Nicht ein oder zwei, sondern mehr als ein Dutzend, und keines davon schien der Lufthanse zu gehören. Sie fuhren unter fremd er Flagge. Menschen glitten an langes Seilen von den Gondeln herab und stürzten sich in den Kampf. Wer war so tollkühn, Æsta anzugreifen?
    Samanða hastete weiter, Richtung Hafen, zu ihrem Lager, ihrem Versteck, ihrem Zuhause, ihrer Bande, ihren Freunden.
    Der Hinterhof lag

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