Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Titel:
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt
verschlungen gemusterte, braunrote Tapete hatte man an die Holzwände geklebt.
Aus einem Lehnstuhl vor einem Sekretär aus Nussbaumholz erhob sich nun ein Mann, der Mitte vierzig sein mochte. Graumeliertes Haar war schwungvoll frisiert, das schlanke Gesicht schien unmittelbar in einen hohen Kragen überzugehen und war von einem schmalen Schnäuzer geziert. Sogar seinen weinroten Rock mit den langen Schößen hatte der Mann noch an, obwohl ein Ofen für genug Wärme sorgte.
„Tindwerch, richtig?“, fragte der Mann, während er auf den Friesen zuging und ihm die Hand hinhielt. Tindwerch nahm sie und drückte kräftig zu. Der Mann zeigte keine Regung. Sein Deutsch war beinahe akzentfrei. „Sehr erfreut. Ich bin Jacques.“
Jetzt befreite sich der Mann aus der Fingerquetsche. „Man hat mir berichtet, dass Sie einen beeindruckenden Kampf abgeliefert haben.“
„Och, man tut, was man kann“, sagte Tindwerch und zuckte die Achseln. „Kriege ich was zu trinken?“
„Natürlich!“, sagte Jacques. „Wie unachtsam von mir. René, wenn du so nett wärst?“
René verstand seinen Herrn dem Anschein nach auf Deutsch nicht, aber als der auf eine Wasserkaraffe zeigte, holte er sie und zwei Gläser heran und stellte sie auf den Tisch.
„Setzen wir uns doch“, schlug Jacques vor.
„Lass mal, ich will dir deine wertvollen Polster nicht einsiffen.“
Der Franzose hob die Brauen. „Sehr aufmerksam von Ihnen. Aber das ist unser kleinstes Problem.“ Er machte eine nachdrückliche Geste, und Tindwerch folgte. Strapazierfähig genug sahen die Stühle aus.
„Was ist denn unser größtes Problem?“, erkundigte er sich, nachdem er ein Glas Wasser hinuntergeschüttet hatte.
„Offen gestanden? Sie!“ Jaques wies mit offenen Händen auf Tindwerch. „Man hat mir mitgeteilt, dass ein sehr großer, gut im Futter stehender Friese mit großen piktischen Tätowierungen eine wichtige geschäftliche Transaktion gestört hat, und dann höre ich, dass ein ebensolcher Friese sich für einen Kampf bei mir interessiert. Was glauben Sie, wie viele Friesen dieser Art es in Djakarta gibt?“
„Mehr, als man denkt“, sagte Tindwerch leichthin und nahm wieder einen Schluck Wasser. Diesmal spülte er den Mund ordentlich durch, um seine Zähne zu reinigen.
„Aber Sie sind doch jener Friese, der meine Männer von einem Gespräch mit Mademoiselle Most abgehalten hat?“
Tindwerch zuckte die Achseln. „Die haben angefangen.“
Jacques erhob sich und ging zu weiteren Karaffen, die verschiedenfarbige Flüssigkeiten enthielten.
Tindwerch blickte sich um. Der Blick Renés, der neben der Tür stand, ging vorgeblich ins Leere, aber das täuschte natürlich. Tindwerch beugte sich vor, goss sich noch einmal ein und senkte dabei den Kopf. Mit der anderen Hand griff er sich in den Mund und riss sich den falschen Schneidezahn aus.
Jaques wählte ein dunkelbraunes Getränk und goss zwei langstielige Gläschen bis zum Rand voll. Inzwischen lutschte Tindwerch den Zahn sauber, biss einmal kräftig darauf, bis die Hülle brach, und spie dann eilig die Stücke in seine Hand. Er hatte das Gegengift geschluckt, aber sicher war sicher. Wer wusste schon, ob dieser zwielichtige Freund Freddis wirklich Ahnung von Toxinen hatte?
Er trank sein Glas leer und puhlte dann möglichst unauffällig zwei der nussbraunen Körnchen aus den Zahnresten. Er hatte sie gerade in sein Wasserglas geworfen, da drehte sich Jaques um, kam zurück und gab ihm die Flüssigkeit, die sich als Sherry herausstellte.
„Ein Missverständnis also?“, fragte Jaques mit einem verbindlichen Lächeln.
„Völlig. Obwohl ich die Kleine nicht von der Bettkante schubsen würde.“ Tindwerch schüttete den Sherry hinunter. Er brannte in der wieder offenen Wunde der Zahnlücke. Dann hielt er dem Franzosen das Gläschen wieder hin. Der nahm es und trug es schmunzelnd zurück zu den Flaschen. Gleichzeitig klopfte es, und René öffnete.
Perfekt! Tindwerch nutzte den Moment, um die Wassergläser auszutauschen. Das Gift hatte sich inzwischen aufgelöst, nur ein leichter, grauer Schimmer an der Wasseroberfläche war geblieben.
Aber umrühren fiel flach.
Jaques kam zurück, und auch diesen Sherry kippte Tindwerch hinunter. Diesmal setzte sich Jaques jedoch und übersah das hingehaltene Glas, bis der Friese es abstellte.
„Trotzdem verstehen Sie, dass ich ein solches Verhalten nicht ungestraft lassen kann?“
René schloss die Tür wieder und trat zu Jaques, wisperte ihm etwas ins
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