Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition)
Titel:
Eis und Dampf: Eine Steampunk-Anthologie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren:
Mike Krzywik-Groß
,
Torsten Exter
,
Stefan Holzhauer
,
Henning Mützlitz
,
Christian Lange
,
Stefan Schweikert
,
Judith C. Vogt
,
André Wiesler
,
Ann-Kathrin Karschnick
,
Eevie Demirtel
,
Marcus Rauchfuß
,
Christian Vogt
konnte, das aber genug Kraft hatte, um große Dinge anzutreiben und Menschen zu töten. Nein danke, da war er gerne rückständig.
Lilou raffte ihr knöchellanges Kleid und offenbarte dunkle Schnürschuhe mit Absätzen. Dann erstieg sie eine steile Holztreppe, die zu einer Art Haus auf Stelzen führte, das in die Lagerhalle gebaut war.
Während er emporstieg, fielen Tindwerch mehrere hohe Berge alten Packpapiers auf, die unter den Stelzen und davor aufgetürmt waren. Das Porzellan und die anderen zerbrechlichen Waren, mit denen der Franzose die Hälfte seines Geldes verdiente, produzierten wohl viel Abfall, und besser als Abfall waren die Kinder, die der Mistkerl einfing und für die andere Hälfte seines Einkommens als Sklaven nach Afrika und China verkaufte, wohl auch nicht für ihn. Wenn Tindwerch noch Skrupel gehabt hatte, die Geschichten über den Franzosen hatten sie ausgeräumt.
Am Ende der Treppe wartete Lilou mit einem anzüglichen Lächeln. „Zu steil?“
Tindwerch japste, stützte sich auf die Knie und schüttelte den Kopf. „Zu dick!“
Das entlockte ihr ein raues Lachen. Sie stieß die Tür auf, und Tindwerch zwängte sich durch die schmale Öffnung in einen Raum mit einem kleinen Ofen, auf dem etwas Herzhaftes kochte, das nach Rind und exotischen Gewürzen durftet. In der Raummitte stand ein großer Tisch, auf dem Dominosteine aus Elfenbein lagen. Die Belegschaft drum herum sah aus wie das Personal eines schlechten Witzes. Ein Chinese, ein Franzose und ein Indonesier sitzen an einem Tisch. Da sagt der Franzose …
Aber es war der Chinese, der sprach. Allerdings auf Französisch. Knapp vorbei . Er kam zu Tindwerch und blies die Backen auf, hielt die abgespreizten Arme neben seine Hüfte und stapfte ungelenk herum, als wöge er das Dreifache.
„Haha, der dicke Friese“, sagte Tindwerch und grinste freundlich. „Schon klar.“
Tindwerch wühlte tief in seinem Gedächtnis und nannte den Mann dann einen pissetrinkenden Straßenköter – zumindest glaubte er, dass dies die Bedeutung des einzigen Schimpfwortes war, dass er auf Chinesisch kannte. Beim Indonesier hatte er schon mehr Auswahl, und beim Franzosen bekam er sogar Probleme, sich zu entscheiden. Also blieb er bei beiden beim Klassiker und beschuldigte ihre Mutter eines anstößigen Hand- und Mundwerks.
Das Lachen auf dem Gesicht des Chinesen verschwand, und er hatte plötzlich ein gefährliches, gezacktes Messer in der Hand. Auch der Franzose sprang wütend auf und griff hinter sich, um einen Metallknüppel zu ergreifen. Nur der Indonesier lachte gut gelaunt, wobei sein rostroter Turban wippe, und legte einen weiteren Dominostein ab. Dabei kam seine Hand wie zufällig neben einer großen Machete zur Ruhe.
„So, damit wissen wir schon mal, womit wir es zu tun haben“, dachte Tindwerch.
Lilou machte eine beschwichtigende Geste, und wiederstrebend packten die Männer ihre Waffen weg. Dann winkte sie den Franzosen heran, der Tindwerch mit angewidertem Gesicht nach Waffen abtastete. Der Kampf und die Treppe hatten ihn mächtig ins Schwitzen gebracht, und so ließ er es sich nicht nehmen, einige der herabströmenden Tropfen auf den Franzosen zu prusten.
Lilou ging dazwischen, bevor der Mann zuschlagen konnte.
„Du hast die drei gut im Griff“, sagte Tindwerch, als sie eine einladende Geste zu einer weiteren Tür machte. „Zuckerbrot und Peitsche?“
„Kein Zuckerbrot“, sagte Lilou kokett und klopfte einen Rhythmus an die Tür. Ein Riegel scharrte, und ein kahlköpfiger Mann öffnete. Er war so groß wie Tindwerch, was diesem selten passierte, und hatte seine breite Brust in eine dunkle Stoffweste gezwängt, unter der ein schneeweißes Hemd hervorschaute. Die Hüfte war dagegen lächerlich schmal und in eine beige Stoffhose gesteckt.
Der Mann nickte Lilou zu und trat beiseite.
„Monsieur Tindwersch, es war mir ein Vergnügen.“
„Da kannst aber einen drauf lassen!“, sagte der Friese und wollte ihr auf den Hintern hauen, besann sich aber eines Besseren. Diese Lilou war wahrscheinlich eine der Frauen, die ein körperlich ausgedrücktes Kompliment nicht zu schätzen wussten.
Sie lachte erneut und wies ihn dann in den Raum. Im Gegensatz zu dem kargen Nebenzimmer hatte man hier aufgefahren. Ein kristallener Gaslampenlüster, dick gepolsterte rotschwarze Stühle um einen runden, kniehohen Marmortisch, ein dicker, orientalisch anmutend er Teppich und große Fenster, die allerdings auf die Werkhalle hinausführten. Sogar eine
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