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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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fast mit Susanne zusammen, die eben über die Schwelle tritt. Sie schreit auf und weicht aus, zeigt aber gleichzeitig ein strahlendes Lächeln, ein vollkommen offenes, fröhliches Lächeln, das Lars ein leises Lachen entlockt. Gleich darauf erlischt ihr Lächeln, und sie wirft Anders einen Blick zu. Der vollkommen leer ist. Sie sieht ihn an, wie man einen Fremden ansieht, einen obendrein ziemlich uninteressanten Fremden, einen, den man nie wiedersehen wird, bevor sie ihm den Rücken kehrt und sich ein Tablett nimmt.
    Anders fühlt sich verletzt und ein wenig beschämt. Das ist doch lächerlich. Was hat er erwartet? Dass sie an seiner Seite gehen und ihn bewundern würde, als wäre er Androkles und sie der ewig dankbare Löwe?
    »Oder?«, fragt Ulrika im nächsten Moment und legt ihm die Hand auf den Arm. »Stimmt doch, oder?«
    Er wendet sich um, sieht sie an.
    »Tut mir leid«, sagt er. »Ich habe nicht gehört, worüber ihr geredet habt.«
    »Nun ja«, sagt Roland etwas später und steckt die Hände in die Hosentaschen, während sein Blick über das Publikum wandert. Sie sitzen alle ganz hinten in der Messe versammelt, an die fünfzig Personen, alle, die jetzt gerade nicht im Maschinenraum, in der Küche oder in irgendeinem Labor arbeiten müssen, und haben ihm ihre höflich-erwartungsvollen Gesichter zugewandt. Es ist Zeit für den täglichen Vortrag. Ein Nachzügler schrammt mit seinem Stuhl. Roland räuspert sich, hebt die Stimme.
    »Leider ist es jetzt so, dass Katrin, die heute Abend die Vorlesung halten sollte, ein Problem mit ihrer Stimme hat …«
    Katrin sitzt nur zwei Stühle entfernt und lächelt unsicher, als Anders sich ihr zuwendet. Das ist ein zögerliches kleines Schulschwänzerlächeln, das sie mit einer Geste an die Kehle begleitet, und er beruhigt sie gleich dadurch, dass er ein sicheres Arztlächeln zurückschickt. Er hat nicht vor, sich aufzudrängen. Wenn sie wirklich ein Problem mit der Stimme hatte und etwas daran ändern wollte, dann wäre sie zu ihm gekommen, das weiß er, aber wenn es nun so ist, dass sie sich trotz ihrer allgemeinen Forscherbrillanz nicht einmal traut, selbst vor dieser kleinen Gruppe von Kollegen, Seeleuten und anderen zu reden, dann kann er nichts daran ändern. Susanne sitzt neben ihr, guckt jedoch nicht in seine Richtung. Sie sitzt leicht vorgebeugt mit um ein Knie verschränkten Händen da und starrt Roland entschlossen an.
    »Und deshalb hat Ulrika stattdessen zugesagt, uns einige Bilder zu zeigen und von einer Expedition vor ein paar Jahren zu berichten …«
    Anders setzt sich gerade hin. Und jetzt sieht er endlich Ulrika, die hinter Roland steht, über ihren Computer gebeugt, auf einige Knöpfe drückt und zur Projektionsleinwand im Hintergrund hochschaut. Ein Bild taucht auf: tiefblaue Finsternis mit einigen dicken Säulen im Vordergrund.
    »Black smokers«, sagt Ulrika. »Oder Black chimneys. Die Säulenstädte des Meeresgrundes. Wie ihr wollt.«
    Es wird ganz still in der Messe. Ulrika macht eine Kunstpause und schaut sich um, zeigt ein kurzes Lächeln. Ihre Stimme ist heller als sonst.
    »Ich habe eine davon gesehen. Das ist jetzt mehrere Jahre her, aber trotzdem … Ich war mit Alvin unten, einem amerikanischen Mini-U-Boot, im Pazifischen Ozean an einem der Punkte, wo die Kontinentalsockel aufeinandertreffen. Es hat nur sechs Stunden gedauert, aber diese sechs Stunden waren wie …«
    Sie verstummt und erfasst ihr Publikum mit Blicken, schaut es an, als würde sie jeden Einzelnen abschätzen und prüfen, holt dann Luft und sieht aus, als fasste sie einen Entschluss. Ihre Stimme sinkt auf die übliche Lage, und sie steckt die Hände in die Taschen, um deutlich zu zeigen, wie entspannt sie ist.
    »Wissenschaftlich hat das wahrscheinlich nicht so viel gebracht, aber es sind einige ganz schöne Bilder dabei herausgekommen, deshalb habe ich gedacht, die könnte ich euch heute Abend als Ersatz zeigen.«
    Und dann gleitet sie in ihren üblichen Vorlesungston. Lächelt anfangs kurz, als sie vom Mini-U-Boot berichtet. »Das ist so eng an Bord, dass man sich nicht bewegen kann, und vom Auf-die-Toilette-Gehen kann gar keine Rede sein. Man sitzt die ganze Zeit in der gleichen Position, ist da drinnen eingesperrt, es ist also nichts für Leute mit einer Veranlagung zu Klaustrophobie, aber was man dann sieht, wenn man da liegt, das ist alle Mühen wert. Die Welten des Meeresbodens sind voller Überraschungen. Das ist fantastisch. Einfach einzigartig. Besonders die

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