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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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herauskommt, lächelt vorsichtig.
    »Jetzt ist es gut«, sagt sie. »Alles, wie es sein soll.«
    Was bedeutet, dass sie möchte, dass sie jetzt gehen und sie in Ruhe lassen, aber weder Anders noch Ulrika können sich dazu durchringen. Sie bleiben einfach stehen, wo sie sind, mit hängenden Armen, und sehen sie an. Dafür bewegt sich jemand weiter hinten auf dem Gang. Anders dreht sich um und sieht Robert aus seiner Kabine kommen. Er bleibt stehen, die gesunde Hand auf der Türklinke, und betrachtet die drei.
    »Großreinemachen?«
    Susanne wirft Anders einen raschen Blick zu, einen Blick ohne jedes Flehen, aber mit einer deutlichen Botschaft. Sag nichts! Dann wendet sie sich mit einem Lächeln Robert zu.
    »Ja, es ist mal an der Zeit.«
    Er erwidert ihr Lächeln.
    »Wenn du mit deiner Kajüte fertig bist, kannst du gern bei meiner weitermachen …«
    Ihr Lächeln wird noch breiter:
    »Ich glaube nicht, dass du dir das leisten kannst …«
    Er lacht:
    »Nein. Das ist wohl wahr. Ein armer Forscher hat nicht viel zu bieten. Da muss ich wohl selbst sauber machen.«
    Susanne erwidert nichts, rührt sich aber auch nicht vom Fleck, kerzengerade und mit höflichem Lächeln hält sie den Moppstiel umklammert, während sie darauf wartet, dass Robert vorbeigeht. Aber Robert tut ihr nicht den Gefallen, sondern bleibt mit erwartungsvollem Lächeln neben den Dreien stehen. Eine sonderbare Stimmung. Als warteten alle, aber keiner von ihnen wüsste, worauf. Schließlich streckt Anders die Hand aus und berührt Roberts Verband. Der ist schmutzig geworden.
    »Ich glaube, das müssen wir uns mal ansehen«, sagt er.
    Robert zieht die Augenbrauen hoch.
    »Jetzt?«
    Anders nickt.
    »Jetzt.«
    Dann nickt er Susanne und Ulrika kurz zu, geht los und bringt mit seiner Bewegung Robert dazu, vor ihm herzugehen. Treibt ihn wie ein Tier vor sich her.

Scheiße, denkt Susanne, als sie mit ihrem ganzen Gewicht die Tür zum Deck aufstemmt. Verfluchte Scheiße, Mist, Kacke, verdammt.
    Sie steigt über die hohe Schwelle und hört den Wind pfeifen, spürt, wie er ihr Haar erfasst und die Strähnen packt, die nicht fest im Pferdeschwanz sitzen, wie er nach ihrer halb offenen Jacke greift und sie flattern lässt, wie er sich seinen Weg unter das saubere T-Shirt bahnt und eiskalt über ihren Bauch fährt.
    Oh, Scheiße!
    Aber das Fluchen nutzt nichts. Keine Flüche auf der ganzen Welt können das Geschehene ungeschehen machen. Dass Ulrika und Anders die Frau ohne Körper gesehen haben, hat selbst ihnen ihre missliche Lage deutlich und real vor Augen geführt. Jetzt kann sie sich nicht mehr verstecken. Sie steht nackt da. Entblößt. Gut sichtbar. Aber so darf sie nicht denken. Tatsache ist, dass sie es sich überhaupt nicht erlauben kann zu denken. Also weg damit.
    Sie stellt Wischmopp und Eimer ab und zieht den Reißverschluss ihrer Jacke ganz hoch, beeilt sich, das alles hier erledigt zu bekommen, damit die ganze Geschichte endlich zu den Akten gelegt und vergessen werden kann, ergreift dann wieder den Mopp, taucht ihn in den Eimer und geht die fünf Schritte zu dem Erbrochenen, wischt, holt den Eimer, spült aus und wischt immer und immer wieder. Zum Schluss packt sie den Eimergriff und geht zur Reling, zögert einen Augenblick, bevor sie den Eimer anhebt und das schmutzige Wasser über das Innere des Eises schwappen lässt, das gerade aufgebrochen und gen Himmel gewendet wurde, um gleich im nächsten Moment, wieder ins Wasser hinabgestoßen, abgespült und gesäubert zu werden. Ein paar braune Klümpchen bleiben an der türkisfarbenen Oberfläche haften, gelbliches Wasser rinnt über all das eiskalte Saubere, und sie steht wie festgefroren da und starrt hinab, sieht, wie sich das gebrochene Eis herumwälzt und wie der Schmutz, ihr Schmutz, der das geschlossene System der Oden nicht verlassen darf, langsam in die Dunkelheit unter dem Eis getrieben wird. Dann ist es vorbei. Die Frau ohne Körper ist weg. Das Erbrochene ist weg. Die ganze Geschichte wäre eigentlich vorbei, wenn nicht Anders und Ulrika es gesehen hätten …
    Scham.
    Nein. Das stimmt nicht. Auf keinen Fall. Denn sie hat sich doch für nichts zu schämen. Oder? Sie hat doch nichts getan. Ihr war nur ein wenig schlecht. Sie hat sich kurz übergeben, aber alles selbst wieder sauber gemacht. Und jetzt wird sie den schmutzigen Pullover und einiges an Unterwäsche und vielleicht sogar ein beschmiertes Kopfkissen nehmen, ein Kopfkissen mit albernen Kreuzen anstelle von Augen, alles in den

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