Eis und Wasser, Wasser und Eis
Hand die Aktentasche, in der anderen die Landskrona-Posten. Susanne antwortet nicht, folgt ihm nur mit Blicken, um zu sehen, ob er wohl stolpert. Und tatsächlich, auch an diesem Tag stolpert er.
Sie lächelt ihm nach, dreht langsam den Kopf und schaut aus dem Fenster. Draußen in der Svanegatan hat bereits die Dämmerung eingesetzt. Graue Herbstdämmerung. Die Straßenlaternen haben einen Heiligenschein bekommen, und noch ist es vor dem Haus ganz leer. Es ist noch viele Jahre hin bis zu dem Tag, an dem die Mädchen kommen werden. Und noch ist nichts passiert.
Herbstabend
Die Mädchen kamen in der Dämmerung.
Anfangs, lange Zeit bevor das, was gar nicht passieren konnte, passiert war, waren es nur einige wenige, ein verlorenes Häuflein von drei oder fünf oder sieben, die aus den Schatten hervortraten und versuchten so auszusehen, als kämen sie rein zufällig vorbei und blieben aus purem Zufall auf dem Bürgersteig vor dem roten Klinkerhaus stehen. Sie wandten ihre bleichen Gesichter dem Fenster zu, während sie gleichzeitig in den Taschen nach Zigaretten und Streichhölzern suchten, blieben dann dicht beieinander stehen und ließen den Rauch im gelben Lichtkegel der Straßenlaterne aufsteigen.
»Wie die nur aussehen«, sagte Inez und zog das Rollo in der Küche zu. »Schwarze Augen und weiße Lippen. Wie die Gespenster. Man kann ja direkt Angst kriegen. Igitt.«
Sie öffnete einen Schrank und holte vier Teller heraus, reichte sie Susanne und fuhr fort:
»Und ihre Kleidung! Einige sehen aus, als wären sie aus einem Militärlager hervorgekrabbelt, und andere scharwenzeln in Minimini und Nylonstrümpfen herum. Und das Ende November! Die Strümpfe werden ihnen an den Beinen festfrieren, und sie werden eine Blasenentzündung kriegen, und das ist nicht lustig, denn wenn man eine Blasenentzündung kriegt …«
Birger, der bereits am Küchentisch saß und auf das Essen wartete, hob die Ellbogen, damit Susanne den Teller vor ihn auf den Tisch stellen konnte.
»Keine Details bitte!«
Inez lächelte über die Schulter, während sie im Rübenmus rührte.
»Wie du willst. Aber schade. Denn ich hätte so viele interessante Details zu berichten …«
»Davon bin ich überzeugt, meine Liebe. Aber es gibt solche und solche Gelegenheiten.«
Inez ließ einen Topfuntersetzer auf die Wachsdecke fallen.
»Und das hier ist keine Gelegenheit?«
Birger schaffte es nicht zu antworten, denn jetzt stand Björn in der Türöffnung, und Inez lächelte ihm zu, während sie ihre Schürze abband.
»Und da kommt der Schurke des Dramas …«
»Äh?«, sagte Björn, und ließ sich auf seinen Platz am Esstisch sinken.
Inez fuhr ihm mit der Hand durch den dunklen Haarschopf.
»Aha«, sagte sie. »Feucht. Du hast dir wieder die Haare gewaschen.«
»Ach, hör auf«, erwiderte Björn.
»Es ist gefährlich, sich zu oft die Haare zu waschen.«
Björn grub tief in dem Topf mit Rübenmus.
»Ist es überhaupt nicht.«
»Du wirst früher kahl werden. Und bekommst Ohrenreißen.«
»Bitte, Inez«, sagte Birger.
Sie lachte auf.
»Ich mache doch nur Spaß.«
»Ich weiß«, nickte Birger. »Aber der Junge wird nervös.«
»Nein«, widersprach Björn. »Ich werde nicht die Bohne nervös.«
Ein Stöhnen ging durch die kleine Menge unter der Straßenlaterne, als Susanne eine Weile später die Haustür öffnete, ein Stöhnen, das sich danach sehnte, in einen Schrei überzugehen, das aber gestoppt und geschluckt wurde, als die Mädchen sahen, wer es war, der da auf der Treppe erschien. Susanne schlug mit dem üblichen Hüftschwung die Tür hinter sich zu und versuchte unberührt auszusehen, obwohl die Ameisen der Unruhe bereits unter ihrer Haut krabbelten. Sie zog den Reißverschluss ihres Parkas hoch und schob die Hände tief in die Taschen. Worauf sollte sie ihren Blick richten? Konnte sie wirklich den Kiesweg zur Gartenpforte entlang gehen, ohne diese Mädchen ein einziges Mal anzusehen? Ja, das konnte sie. Das war sogar nötig, denn würde sie den Blick heben und sie ansehen, würde sie dem pochenden Bedürfnis nicht widerstehen können, sich dafür zu entschuldigen, dass es nur sie war, die da aus dem Haus gekommen war.
»Das ist seine Schwester«, sagte eine Stimme mitten in der Gruppe. »Seine kleine Schwester.«
Susanne verzog das Gesicht und schaute auf den Kies. Natürlich. Sie wussten nicht, wie es sich tatsächlich verhielt, und wenn sie sie korrigieren wollte, würden sie nur wütend werden. Leute werden immer wütend,
Weitere Kostenlose Bücher