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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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wenn sie feststellen, dass sie Fehler machen. Besonders Mädchen.
    »Sie heißt Susanne«, sagte eine andere. »Hej, Susie! Hej!«
    Sie war am Gartentor angelangt, es quietschte und jammerte, als sie es öffnete. Zwei der Mädchen drängten sich lächelnd vor, große Mädchen mit dichtem Haar und schmalen Schultern. Susanne erkannte beide wieder, wusste jedoch nicht, wie sie hießen. Die eine, diejenige mit dunklem Haar und einem rosa Tuch, das sie kunstvoll um den Hals geknotet hatte, stand meistens im Kiosk am Bahnhof. Es gab das Gerücht, dass sie ein Brötchen in ihren toupierten Haaren hatte und dass sie das Tuch um den Hals trug, um die Knutschflecken zu verdecken, die sie sich ständig holte. Die andere ging beim Friseur in der Artillerigatan in die Lehre. Sie hatte Susanne vor drei Monaten, bevor Björn eine Berühmtheit und bevor Susanne selbst zu einer nahen Verwandten einer Berühmtheit geworden war, die Haare geschnitten. Der Pony war zu dünnen Fransen hoch in der Stirn geworden, und mehrere Wochen lang vermied Susanne sorgfältig alle Spiegel im Haus. Deshalb ging sie unbewusst einen Schritt zurück, als erwartete sie, dass die Auszubildende eine Schere aus der Tasche ziehen und sich wieder ihren Pony vornehmen würde.
    »Stimmt es, dass er zu Hause ist?«
    Die angehende Friseuse lächelte mit weiß geschminkten Lippen und gelben Zähnen. Es roch nach Kaugummi und Zigarettenrauch aus ihrem Mund. Die Kioskverkäuferin mit den Knutschflecken senkte ihre blauen Augenlider und klimperte kurz mit starren Wimpern.
    »Hat er sich schon einen Cadillac gekauft? Im Bildjournal stand, dass er sich einen Cadillac kaufen wollte.«
    Susanne brachte einen leisen Ton hervor, der sowohl ein Ja als auch ein Nein bedeuten konnte. Ja, er war zu Hause. Nein, er hatte sich keinen Cadillac gekauft. Niemand hörte oder verstand sie, sie waren viel zu besessen von ihren Fragen, um Platz für Susannes Antworten zu haben. Ein blondes Mädchen mit langem Pony drängte sich nach vorn. Ein Hippie.
    »Und die anderen? Wo sind die anderen Jungs?«
    Susanne zuckte mit den Schultern, immer noch die Hände in den Taschen. Sie hatte keine Ahnung.
    »Fahren sie am Samstag nach England? Ist das wahr?«
    »Geht er heute Abend noch aus?«
    »Hat er ein Mädchen oder …«
    Susanne zuckte mit den Schultern und schaute hinunter auf den Asphalt. Was sollte sie darauf antworten? Sie wusste nichts darüber, was Björn zu tun gedachte, weder am Abend noch am Samstag, sie hatten kaum miteinander reden können, seit er nach Hause gekommen war. Ein anderes Hippiemädchen drängte sich vor, sie sah merkwürdig aus, hässlich und hübsch zugleich. Susanne erkannte sie wieder. Sie ging in die erste Gymnasialklasse, altsprachlicher Zweig, und wenn es regnete, benutzte sie einen schwarzen Männerschirm statt dieser fipsigen geblümten Dinger, die sich die anderen Mädchen über den Kopf hielten. Das war auf eine unerklärliche Art und Weise respekteinflößend.
    »Welches Zimmer ist seins?«, fragte sie und legte Susanne eine vierschrötige Hand auf die Schulter. Ihre Stimme war dunkel und herausfordernd. Susanne hob die Hand und ließ die Geste sprechen. Da! Oben links. In dem Zimmer mit weißen Gardinen und einer Deckenlampe aus den Vierzigern. Die Mädchen schauten hoch und seufzten wie aus einem Munde, während sich Susanne dem Griff des Hippiemädchens entwinden konnte, etwas in der Richtung murmelnd, dass sie es eilig habe, und fast davonlief.
    Sie hörte nicht auf zu laufen, bis sie fast am Friedhof angekommen war, aber dort hielt sie in der Dunkelheit zwischen zwei Straßenlaternen an, stellte sich breitbeinig hin und legte eine Hand auf das Zwerchfell, als bekäme sie keine Luft mehr oder hätte einen Krampf. Sie konnte nicht sagen, warum sie geflohen war, aber sie war erleichtert, davongekommen zu sein. Mit einem tiefen Atemzug, so tief, dass er fast einem Seufzer ähnelte, schaute sie auf den glänzenden Asphalt und erinnerte sich daran, wie es war, als alles noch Normalität, Alltag und langweilige Realität gewesen war. Zu der Zeit war Björn eine Selbstverständlichkeit gewesen, eine manchmal ziemlich mürrische Selbstverständlichkeit, aber jedenfalls eine Person, die in demselben Haus wie sie lebte und die es dort immer schon gegeben hatte. So würde es nie wieder werden. Niemals wieder. Jetzt war er ein anderer, ein Wesen aus einer weit entfernten Welt, einer Welt von Stars und Glitzer, einer Welt, die so jemandem wie Susanne immer

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