Eis und Wasser, Wasser und Eis
und sich damit rettete, dass er die Sticks hob und den Song noch einmal anzählte. A-one-a-two-a-three …
Das war ein Scheißsong. Banal. Billig. Einschmeichelnd. Aber Karl-Erik hatte beschlossen, dass er auf die nächste Single mit drauf sollte, und was Karl-Erik beschloss, wurde immer gemacht. Immer. Er war es gewesen, der vor einem halben Jahr beschlossen hatte, dass die Typhoons einschlagen sollten. Und er war es auch, der beschloss, wie das vor sich gehen sollte. Der alte Sänger musste weg, und ein neuer musste her, das war eine Bedingung, und zwar eine Bedingung, die Tommy – und damit auch Niclas, Peo und Bosse – zu akzeptieren hatte. Sie hatten nie erzählt, warum oder wie es dazu gekommen war. Als Peo Björn zu einer Probe nach Stockholm mitbrachte, nickten sie nur nach ein paar Songs und gaben ihm zu verstehen, dass sie ihn akzeptierten. Karl-Erik rieb sich bereits beim ersten Stück die Hände, gab aber mit keinem Wort preis, was er dachte. Zunächst einmal hatte er so einige Fragen zu stellen. Wie zum Teufel hielt Björn es nur in Landskrona aus, zum Beispiel? Und wie hatte Peo, der in dem einigermaßen zivilisierten Täby geboren und aufgewachsen war, bloß auf einem lokalen Rockbandwettbewerb so weit ab vom Schuss landen können? Peo räusperte sich und versuchte zu erklären, dass er seine Großmutter besucht hatte, wurde aber von einem kurzen Winken unterbrochen. Das war eine rhetorische Frage, und sollte Peo erst einmal das Wort nachschlagen müssen, dann mache das auch nichts, denn jetzt wollte Karl-Erik erst einmal ein ernstes Wort mit dem jungen Hallgren reden. Woher kam es, dass er nicht halb so fürchterlich quakte wie die meisten aus Skåne? Ach so. Die Mama kam aus Göteborg. Das war natürlich ein Vorteil. Hatte er eine gewisse musikalische Ausbildung? Nicht. Spielte er ein Instrument? Auch nicht. Konnte er Noten lesen? Auch das nicht. Und wie stand es mit Bühnenerfahrung? Mäßig. Ja, so. Aha. Ein reines Naturtalent also. Andererseits sprach ja sein Aussehen für ihn, und eine nette Stimme, also …
An einem Nachmittag, nur eine Woche später, setzten sich Björn und Birger auf die Besucherstühle in Karl-Eriks Büro in Stockholm. Björn mit frisch gewaschenen Haaren und in seiner verwaschensten Jeans, Birger auffallend frisch vom Friseur. Er blinzelte beim Anblick der goldenen Schallplatten an den Wänden, strich kurz mit der Hand über das glänzende Palisander der Schreibtischplatte und richtete dann seinen Blick auf Karl-Erik, der sanft lächelnd zurückgelehnt auf seinem Pfauenthron von Schreibtischstuhl saß. Innerhalb nur eines Moments verwandelte Birger sich in eine Karikatur seiner selbst: ein verstaubter Studienrat für Geschichte und Politik, der umständlich, aber dennoch ohne Einwände die Bedingungen in dem Vertrag akzeptierte, der ihm vorgelegt wurde. Zwar hatte er in seiner Eigenschaft als inoffizieller Vertreter der Vormünder des Jungen so seine Bedenken gehabt, aber da Björn nun einmal – ähäm! – gewisse Symptome von Schulmüdigkeit zeigte und da es dem Jungen nun einmal so wichtig war und – nicht zu vergessen! – da es sich ja offenbar so verhielt, dass sowohl die Plattenfirma als auch die anderen Jungen in der Band außerdem sehr daran interessiert waren, dass Björn mitmachte, so hatte er beschlossen, davon abzusehen. Es gab ja Gott sei Dank heutzutage auch Erwachsenenbildung, wer also die Schule hinter sich ließ, konnte immer noch wieder in sie zurückkehren. Seine einzigen Bedenken galten der Tatsache, dass es nicht möglich gewesen war, Kontakt zu der Mutter des Jungen aufzunehmen, sie befand sich ja irgendwo weit weg auf dieser Welt, wo, das war momentan nicht herauszubekommen, aber er ging davon aus, dass sie nichts dagegen einzuwenden hätte. Was – haha! – der Zufall und die Plattenindustrie zusammengefügt hatten, das sollte der Mensch ja wohl nicht scheiden. Ob er den Füllfederhalter leihen dürfte?
So hatte es angefangen. Und jetzt ließ es sich nicht mehr stoppen. Björn war Mitglied der Typhoons. Nein, mehr als das. Er war der Star der Typhoons. Und trotzdem – aber das konnte er nur hier in Susannes dunklem Zimmer sich selbst eingestehen –, trotzdem gehörte er nicht dazu. Nicht wirklich. Nicht in gleichem Maße wie die anderen Jungs der Band. Die kannten sich seit der Grundschule und spielten seit vier Jahren zusammen, sie erzählten einander von ihren Erlebnissen und hatten gemeinsame Erinnerungen. Außerdem gehörte Robban zu
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