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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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junge Besatzungsmitglieder sitzen so dicht aneinandergedrängt, dass sich jede Bewegung durch die ganze Gruppe fortpflanzt. Niemand scheint etwas dagegen zu haben. Ein amerikanischer Professor lächelt sanft, er sitzt gegenüber in einem Ledersessel, und auf seiner Armlehne versucht die einzige weibliche Matrosin das Gleichgewicht zu halten, ohne zu nahe zu kommen. In dem anderen Ledersessel sitzt Martin, mit Sofia auf den Knien. Der Maschinist und das Messemädchen. Sie sind wohl ein festes Paar, Anders hat gesehen, dass sie eine Kajüte teilen, vielleicht sind sie sogar verheiratet. Frisch verheiratet in dem Fall, denn keiner von ihnen sieht älter als fünfundzwanzig aus. In den dritten Sessel lässt sich soeben Magnus sinken, das Leder knirscht unter seinem massigen Körper, er stellt einen weiteren Krug Bier auf den Tisch und entblößt seine Zähne in einem höhnischen Grinsen über Marcus, der versucht, sich auf die Armlehne zu setzen. Es ist ganz deutlich, dass er keinen weiteren Mann so dicht neben sich haben will, und schon gar keinen Künstler mit schmalen Schultern und lockigem Haar. Marcus’ Blick flackert, er steht auf, dreht ihm den Rücken zu und steuert den Bartresen an. Hinten an der Tür steht Susanne, an die Wand gelehnt. Sie hat die Hände um ein Glas Rotwein geschlossen und lässt ihren Blick über den Raum schweifen, hin und zurück, hin und zurück, als suchte sie nach etwas. Eine leichte Irritation steigt in Anders auf. Typische Problemsucherin.
    »Nun komm schon, Herr Doktor! Jetzt tanzen wir!«
    Ulrika zieht ihn lächelnd am Handgelenk. Eine Sekunde lang ist er versucht, den Kopf zu schütteln und Nein zu sagen, dann stellt er den Krug auf den Tresen und erwidert das Lächeln. Ulrika hat funkelnde Augen und ein breites Lächeln. Zum Teufel mit der professionellen Distanz.
    »Ich bin kein Meister …«
    »Aber ich«, erklärt Ulrika. »Dann gleicht sich das ja aus.«
    Es ist eng auf der Tanzfläche, so eng, dass ihre höchst zweifelhafte Meisterschaft nicht auffällt. Die Leute drängen und knuffen, jemand – ist das dieser Robert? – stößt ihr so hart den Ellbogen in den Rücken, dass sie das Gleichgewicht verliert. Anders muss beide Hände ausstrecken und sie packen, damit sie nicht hinfällt. Das ist gut. Wenn sie einander an den Händen halten, während sie so dastehen und sich schütteln, ist nicht zu sehen, wie steif er eigentlich ist. Eva hat sich in den letzten Jahren geweigert, mit ihm zu tanzen. Das sei, wie mit einem Roboter zu tanzen, hat sie gesagt. Also ist er auf dem Sofa sitzen geblieben, wenn es bei diesen Festen, zu denen sie immer eingeladen wurden, zum Tanz kam, hat sich einen Cognac genommen und unterhalten, während sie sich an einen nach dem anderen drückte. Wenn sie nach Hause kamen, wollte sie immer mit ihm schlafen. Tanzen erregte sie.
    Ulrika scheint nicht erregt zu werden, sie schiebt sich nur den Pony aus der Stirn, als die Musik verstummt, wirft Robert einen wütenden Blick zu und bekommt einen ebenso wütenden zurück und ruft dann mit lauter Stimme:
    »Jetzt reicht es ja wohl mit diesem Krach! Spielt mal ein paar gute alte Oldies für uns Alte!«
    Anders hebt die Augenbrauen. Alte? Sie ist ja wohl kaum älter als fünfzig. Obwohl, das ist in dieser Gesellschaft vielleicht schon alt, zumindest alt genug, dass man auf sie hört. Einen Moment lang bleibt es still, während jemand zwischen den CDs sucht, dann erschallt ein vertrauter Eröffnungsakkord durch die Bar. Er lächelt und greift nach Ulrika, drückt sie fest an sich. She belongs to me. Ein alter Ohrwurm, der während seines letzten Jahres am Karolinska Institut acht Wochen auf der Hitliste stand.
    »Ich habe diesen Song gehasst«, sagt er und legt seine Wange an Ulrikas Haar. »Wirklich gehasst.«
    Sie lacht und schüttelt leicht den Kopf, die Bewegung lässt das Haar zur Seite rutschen, und als sie sich ihm wieder nähert, streift ihre Wange seine. Ein Schauer läuft ihm über den Rücken.
    »Ich habe ihn geliebt.«
    »Ich weiß, das haben ja wohl alle Teeniemädchen.«
    »Björn Hallgren war die Antwort auf all unsere Gebete … Zumindest für eine kurze Zeit.«
    Er erstarrt, erwidert nichts. Ulrika zieht sich kurz zurück und sieht ihn an.
    »Was ist denn?«
    »War das Björn Hallgren?«
    »Ja. Er war doch der Sänger der Typhoons. Bevor das passiert ist.«
    Er hat aufgehört zu tanzen, hält sie aber immer noch fest, wiegt sich nur ein wenig hin und her, um den Schein zu wahren. Dann war es

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