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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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über BrittMarie Samuelsson gelesen, sie hat sie auch getroffen. Erinnerungen ziehen vorbei. Sie sieht sich selbst, eine zittrige und ziemlich aufgewühlte Ausgabe ihrer selbst, an einem kleinen Tisch am Tag des Buches in Jönköping sitzen und ihren ersten Krimi signieren. Sie weiß nicht, ob sie stolz darauf ist oder es als peinlich empfindet, schließlich ist es ein Erfolg, eine einzigartige Leistung, und hinter ihrem Rücken reibt sich der Verleger die Hände, aber gleichzeitig schämt sie sich, weil es so leicht verdienter Ruhm ist, es war so einfach zu schreiben. Trotzdem lächelt sie natürlich freundlich und signiert ein Exemplar nach dem anderen, lässt niemanden erahnen, dass sie eine gescheiterte Lyrikerin vor sich haben, eine Frau, die eine ganze Serie gescheiterter Projekte hinter sich hat, dass sie eine Tochter ist, die anstelle ihres Bruders hätte verschwinden sollen, eine Ehefrau, die ihren Mann keine drei Monate nach der Hochzeit verlassen hat, eine Psychologin, die nie ihre Zulassung erhalten hat, eine Schriftstellerin, die ihren ersten Roman verbrannt hat, obwohl er gut war, obwohl er das einzige wirklich wichtige Buch war, das sie jemals geschrieben hat, und stattdessen diesen wertlosen Krimi verfasst hat, und sie sieht, wie sich die Schlange vor ihrem Tisch bis weit auf den Flur hinaus erstreckt und dass ihre Schlange länger ist als die jedes anderen Autors.
    Darum dauert es eine Weile, bis sie die Frau sieht, die neben ihrem Tisch steht, eine Frau in ihrem eigenen Alter mit hennagefärbtem Haar und grauem Gesicht. Der geduldige Typ, der sich nicht vom Fleck rührt, der dort fast eine Dreiviertelstunde lang steht, ohne Susanne aus den Augen zu lassen. Als die Signierstunde zu Ende ist und Susanne aufsteht, tritt die Frau einen Schritt vor, legt ihre Hand auf Susannes Jackenärmel und sagt:
    »Ich bin Britt-Marie Samuelsson. Wir müssen miteinander reden.«
    Der Name weckt eine dunkle Erinnerung. Vage und unangenehm. Susanne zieht ihren Arm zurück.
    »Tut mit leid, aber ich muss …«
    Sie versucht zurückzuweichen, doch das geht nicht, sie hat nur noch die Wand hinter ihrem Rücken. Also drängt sie sich höflich lächelnd durch das Gewühl vor dem Tisch, redende Frauen, lächelnde Frauen, lachende Frauen und vereinzelte ernste Männer, aber die hennagefärbte Frau gibt nicht auf, sie folgt ihr auf den Fersen, ununterbrochen redend.
    »Du musst mir zuhören. Die Polizei hat mir nie zuhören wollen, die haben geglaubt, ich würde lügen. Nun ja, ich habe sie zumindest so weit gebracht, dass sie mit mir zu der Scheune gegangen sind, aber das haben sie nur gemacht, um mich zum Schweigen zu bringen, denn sie sind nur reingegangen und gleich wieder umgekehrt. Es gab nichts, was darauf hinwies, dass er dort gewesen ist, haben sie gesagt. Es lagen ein paar Kippen auf dem Boden, aber die hätten ja auch später dorthin kommen können, deshalb haben sie sich nie drum gekümmert, und übrigens …«
    Susanne hat es bis in die Räume der Damentoilette geschafft und weiter in einen kleinen Toilettenverschlag, wo ihr endlich einfällt, wer Britt-Marie Samuelsson eigentlich ist. Sie hat Elsie einen Brief geschrieben und Inez angerufen, sie hat sich beim Gedächtnisgottesdienst aufgedrängt und dort so laut geschluchzt, dass es keinen Raum mehr für die Tränen der anderen gab. Und jetzt steht sie, immer noch redend, vor Susannes Toilettenverschlag. Susanne überlegt einen Moment, sieht ein, dass es keinen Fluchtweg gibt, also öffnet sie schließlich die Tür und geht hinaus, sieht der Frau ins Gesicht. Das also ist Britt-Marie Samuelsson. Die einmal ein Mädchen war, das dem Aftonbladet ein Interview gegeben hat und anschließend jeder einzelnen Illustrierten. Jetzt ist sie kein Mädchen mehr. Ein krankhaft blasses fünfundvierzigjähriges Gesicht. Falten um die Augen. Schmale Wangen. Graue Augen. Ein Blick, der – Susanne zögert – etwas wild wirkt. Doch, ja. Leider. Es gibt keinen anderen Begriff dafür. Ein wilder Blick.
    »Entschuldigen Sie«, sagt sie und hört selbst, wie kühl das klingt. Fast arrogant. »Aber ich verstehe nicht recht, wovon Sie reden.«
    Was natürlich eine Lüge ist. Aber eine Lüge, die Britt-Marie Samuelsson schluckt, sie seufzt schwer, und es scheint, als verließe sie alle Luft; wie ein kaputter Luftballon fällt sie in sich zusammen und wird klein, schlaff. Sie sieht Susanne ins Gesicht, schlägt dann die Augen nieder.
    »Ich rede von Björn«, sagt sie. Ihre Stimme ist

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