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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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sein Gesicht unter Kontrolle zu halten. Er schließt kurz die Augen, während die beiden Frauen je einen Stuhl ihm gegenüber herausziehen, öffnet sie dann und lächelt freundlich. Ist wieder ganz er selbst. Anders Jansson. Der vernünftige praktische Arzt.
    »Alles in Ordnung?«, fragt er noch einmal lächelnd.
    Ulrika wirft ihm einen kurzen Blick zu, bevor sie sein Lächeln erwidert.
    »Na klar. Alles bestens.«
    Susanne nickt, sagt jedoch nichts. Ein paar Atemzüge lang bleibt es still.
    »Ich habe heute Morgen einen Eisbären gesehen«, erzählt Ulrika dann. »Als ich die Proben entnehmen wollte.«
    »Oh!«, macht Susanne.
    »Ein Weibchen mit zwei Jungen. Nur fünfzig Meter entfernt.«
    Anders räuspert sich leise.
    »Hast du Fotos gemacht?«
    Sie lächelt noch breiter und wirft ihm einen koketten Blick zu. Doch. So müsste man ihn beschreiben. Kokett. Ihn durchfährt ein Glücksgefühl, und er erwidert ihr Lächeln. Ist plötzlich wieder fünfzehn Jahre alt.
    »Nein«, antwortet Ulrika. »Ich hatte keinen Fotoapparat dabei. Ich wollte ja Proben entnehmen.«
    »Wie schade«, sagt Susanne.
    Es wird wieder still, aber jetzt ist es eine andere Stille. Neu. Ruhiger. Anders trinkt noch einen Schluck seines kalten Kaffees, beschließt dann aufzustehen und sich eine neue Tasse zu holen, kommt aber gar nicht erst dazu, sich zu erheben, als Ulrika sagt:
    »Ihr beide habt also gemeinsame Bekannte …«
    Er hält inne, lässt sich unmerklich auf den Stuhl zurücksinken. Spürt, wie groß seine Verwunderung ist. Und wie ihn das gleichzeitig erleichtert.
    »Ja«, sagt Susanne und schaut von ihrer Grapefruit auf. »Mein Bruder war mit Anders’ früherer Frau zusammen. Vor langer, langer Zeit. Ein paar hundert Jahren.«
    Ulrika lächelt kurz, nicht, weil sie meint, das wäre besonders witzig gesagt, eher als allgemeine Ermunterung.
    »Wir wohnen in einem kleinen Land«, sagt sie. »Jeder kennt jeden.«
    Anders sitzt immer noch schweigend da, lässt nur seinen Blick hin- und herwandern. Sieht zunächst Ulrika an, dann Susanne, dann wieder Ulrika. Die gerade ihre Tasse anhebt und einen Schluck Kaffee trinkt.
    »Was ist eigentlich mit ihm passiert?«, fragt sie dann. »Habt ihr das jemals erfahren?«

»Manchmal glaube ich, dass er immer noch lebt …«
    Susanne hört sich das selbst sagen und ist verblüfft. Sie redet sonst nie über Björns Verschwinden. Vielleicht über ihn als Kind, als Bruder, Cousin oder Rockstar, aber nie darüber, wie er sich auflöste und in eine Erinnerung verwandelte. Und jetzt sitzt sie hier mit zwei flüchtigen Bekannten, dieser netten Professorin für Ozeanografie und dem nicht ganz so netten Arzt, dem Mann, der einmal ein so lausiges Urteilsvermögen besaß, dass er Eva geheiratet hat, und sagt, was sie noch zu keinem gesagt hat. Keinem einzigen Menschen.
    Sie bricht sofort ab und versucht alles zurückzunehmen.
    »Aber das stimmt natürlich nicht. Er ist tot. Er muss bereits in der Nacht damals gestorben sein. Oder kurz danach.«
    Anders nickt zustimmend. Als ob das selbstverständlich wäre. Ulrika sieht ungläubiger aus.
    »Aber man hat ihn nie gefunden?«
    Susanne schaut nach unten auf ihre Grapefruit und schüttelt den Kopf. Das sollte reichen. Dieses Signal müsste deutlich genug anzeigen, dass sie nicht mehr darüber reden möchte. Doch Ulrika ist nicht aufzuhalten.
    »Damals habe ich angefangen, Zeitungen zu lesen«, sagt sie. »Als dein Bruder verschwunden ist. Ich war elf Jahre alt, und bis dahin hatte es mich nie interessiert, was in den Zeitungen stand. Aber da fing ich an. Ich habe jeden Artikel über sein Verschwinden verschlungen.«
    Susanne nickt stumm. Ulrika lächelt kurz.
    »Ich habe sie im ersten halben Jahr alle ausgeschnitten und in einem Schuhkarton gesammelt. Ich glaube, den gibt es sogar noch irgendwo. Ich erinnere mich, dass es da eine Geschichte mit einem Mädchen aus Nässjö gab …«
    »Britt-Marie Samuelsson?«
    Susanne ist wieder genauso verblüfft. Sie spricht weiter über Björns Verschwinden. Sie nennt den Namen dieser schrecklichen Person. Und dabei gelingt es ihr, wie ein normaler Mensch zu klingen. Vielleicht ist es einfach an der Zeit. Schließlich sind seitdem fast vierzig Jahre vergangen.
    »Ja«, sagt Ulrika. »Kann sein, dass sie so hieß. Die sagte, sie habe ihm geholfen abzuhauen.«
    Susanne nickt.
    »Ja«, bestätigt sie. »Ich habe auch über sie gelesen. Aber ich weiß nicht, was ich glauben soll.«
    Was nur zum Teil stimmt. Denn sie hat nicht nur

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