Eis und Wasser, Wasser und Eis
Susanne an und lächelte erneut:
»Ich werde im Geschäft aufhören. Soll mit einer englischen Band auf Tournee gehen. Der Sänger mag mich, er sagt, er könnte nicht ohne mich … Nun ja, du weißt schon. Das wird fantastisch, die haben eine ganz andere Klasse als die Typhoons. Ja, nichts für ungut, aber …«
Susanne konnte nicht an sich halten, trat unwillkürlich einen Schritt zurück und grinste böse. Schaute dann weg, steckte die Hände in die Taschen ihres Parkas und drängte sich vorbei. Ging los, ging mit großen Schritten und großer Zielstrebigkeit, wusste, dass sie es auch nicht eine Minute länger ertragen würde, Eva anzusehen, sich ihre Stimme anzuhören. Aber sie hörte sie, sie hörte, wie Eva mit ihrer allerglockenreinsten Stimme über den ganzen Marktplatz rief:
»Aber Susanne! So warte doch! Bitte, Susanne, bleib stehen!«
Aber Susanne blieb nicht stehen, es war schlicht und einfach unmöglich, stehen zu bleiben, sie ging in ihrem zerknitterten alten Parka über den Markt, sah plötzlich ein, dass er zu dünn für die Jahreszeit war, und wurde sich ebenso plötzlich bewusst, dass sie weder einen Schal noch Handschuhe trug, dass sie sich morgens weder ordentlich gekämmt noch geschminkt hatte. Sie war ganz einfach hässlich. Hässlich, unmodern und lächerlich. Und die Leute starrten ihr nach, das spürte sie, auch wenn sie es nicht länger sah, weil sie den Kopf nicht mehr anheben konnte, sie lief zusammengekauert und vor Scham gebeugt …
»Ja, Susanne! So bleib doch stehen«, rief eine andere Stimme. Ingalills Stimme. Und Susanne wusste, obwohl sie es nicht sehen konnte, dass Ingalill mit den anderen KFMLern in der Ecke auf dem Rathausmarkt stand, genau in der Ecke, die sie stets vermied, um sie und ihre roten Banderolen nicht sehen zu müssen, die sie jeden Samstagmorgen ausrollten, bevor sie mit ihren Sammelbüchsen klapperten. Und Ingalill ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, sie griff gierig danach und wiederholte höhnisch Evas Ruf, ein ums andere Mal:
»So bleib doch stehen, Susanne! Bleib stehen!«
Sie konnte das Kichern der anderen KFMLer hören, ein leises, höhnisches Lachen der jungen Männer, die nach Macht strebten, die der Ansicht waren, kraft ihrer Begabung dazu berechtigt zu sein, die es als ihr Geburtsrecht betrachteten, und von den jungen Frauen, die sich nach einer Revanche sehnten, die es der ganzen Welt heimzahlen wollten. Und deshalb rief Ingalill immer und immer wieder:
»Aber bleib doch stehen, Susanne! Bleib stehen!«
Doch Susanne blieb nicht stehen. Sie ging. Sie hastete davon. Sie lief mit großen Schritten und schaute sich nicht einmal um, als sie über die Straße rannte.
»Du musst entschuldigen«, sagte Elsie. »Aber ich verstehe nicht.«
Susanne zuckte trotzig mit den Schultern. Dann eben nicht!
Ein Monat war vergangen, seit sie miteinander telefoniert hatten. Elsie hatte abgemustert, und jetzt saß sie am Küchentisch in der Svanegatan und schaute ihre Nichte an. Die ziemlich kläglich aussah. Aschfahl im Gesicht. Dunkle Ringe unter den Augen. Ihre Haare mussten dringend gewaschen werden. Ein junger Mensch, der ganz offensichtlich mit einer gewissen Vorsicht behandelt werden musste.
»Kannst du nicht versuchen, es mir zu erklären? Warum hast du dich so darüber aufgeregt, dass Eva mit einer englischen Band auf Tournee fahren wird?«
Susanne seufzte. Zupfte ein wenig an ihrem grauen Pullover und versuchte, die geballte Faust im Ärmel zu verstecken.
»Das war ja nicht deshalb …«
Birger stellte den Fernseher im Wohnzimmer lauter. Er wollte wohl nicht riskieren, etwas von dem Gespräch in der Küche zu hören, etwas, das ihn zwingen könnte, aus seinem Kokon des Schweigens herauszukommen. Elsie unterdrückte einen Seufzer und beugte sich ein wenig vor, legte ihre Hand auf die graue Oberfläche des Küchentisches. Die weiße Serviette, die als Deckchen diente, war zerknittert und schmuddelig. Die Zinnschale war leer, bis auf einen weißen Apfelsinenkern und ein paar alte Stiele von Weintrauben. Und im Fenster standen die toten Pelargonien in Reih und Glied und spreizten ihre nackten Zweige.
»Was war es dann?«
Susanne warf ihr kurz einen Blick zu. Sie hatte feuchte Augen. Sehr feuchte.
»Dass Björn ihr nichts bedeutet hat.«
Elsie schwieg, wusste nicht, ob sie es wagen sollte, etwas zu sagen. Susanne sackte auf der anderen Tischseite noch mehr in sich zusammen und schob auch die andere Hand in den Pulloverärmel. Schniefte.
»Ich
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