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Eis und Wasser, Wasser und Eis

Titel: Eis und Wasser, Wasser und Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Majgull Axelsson
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sitzen und starrte vor sich hin. Seufzte.
    Björn hatte ein schönes Zimmer gehabt. Er hatte ein schönes Zimmer. Vielleicht das schönste im ganzen Haus. Das Fenster ging auf die Svanegatan hinaus, und unter dem Fensterbrett stand sein Schreibtisch, ein richtig schöner Schreibtisch in Teak und schwarzem Lack, den sie selbst gekauft hatte. Ein Geschenk, als er auf die Oberschule kam, ein Geschenk, das von Inez jedoch nicht gutgeheißen worden war. Nach der Anlieferung war sie eine ganze Woche lang sauer gewesen und war erst wieder zufrieden, als sie eine sehr schöne Decke mit der Signatur von Viola Gråsten gefunden hatte, die sie als Tagesdecke auf sein Bett legen konnte. Behauptete, sie sei im Preis herabgesetzt gewesen, es sei zweite Wahl, aber das glaubte Elsie nicht. Weigerte sich, das zu glauben. Denn es war ja kein Fehler an dieser Decke zu entdecken, nichts, was auf zweite Wahl hindeutete, immer noch lag sie auf dem Bett und schimmerte in verschiedenen Blautönen. Inez hatte sicher ein hübsches Sümmchen dafür hingeblättert. Unterschlagenes Geld von ihrem eigenen Gehalt. Sich Birgers Kontrolle entzogen.
    Bei dem Gedanken an Birger schüttelte sie den Kopf. Kein Wunder, dass Inez verrückt geworden war. Absolut kein Wunder.
    Er stand draußen auf dem Flur, als sie herauskam, wie ein dunkler Schatten auf dem dunklen Flur neben der offenen Tür zum Dachboden, das Licht der Bodentreppe im Rücken.
    »Komm«, sagte er und drehte ihr den Rücken zu, ging dann die Treppe hinauf. Er humpelte, und es dauerte einen Moment, bis Elsie sich an die Sache mit seinen Füßen erinnerte, dass der eine so viel größer war als der andere. Das merkte man kaum, wenn er Schuhe trug, aber jetzt lief er nur auf Strümpfen, und da humpelte er.
    Der Dachboden sah ungefähr aus wie vorher. Gelbes Licht von einer nackten Glühbirne an der Decke. Ungehobelte Fichtenbohlen, auf denen sie sich oft genug Splitter eingetreten hatte. Alte Möbel in einer Ecke gestapelt. Einige mehr als das letzte Mal, als sie hier war, das konnte sie jetzt sehen. Da stand das Bett, das vorher in dem kleinen Zimmer gestanden hatte, in dem sie immer schlief. Da stand die schwere Lampe, die schon in Inez’ und ihrem Kinderzimmer gestanden hatte, als sie noch klein gewesen waren. Und da hinten stand ein Sessel, den sie nur von den Umrissen her wiedererkannte. Neu bezogen. Hatte Inez ihn bezogen?
    Birger ging vor und öffnete die Tür zur Kammer, steckte eine Hand hinein und schaltete die Deckenlampe ein. Auch hier eine nackte Glühbirne.
    »Guck’s dir an«, sagte er und trat einen Schritt hinein. »Guck dir das hier ruhig an!«
    Elsie stellte sich in die Türöffnung und schaute sich um, schnappte dann nach Luft und trat einen Schritt zurück. Wollte nicht hineingehen.
    »Komm«, sagte Birger. Er reichte ihr die Hand, aber sie wich zurück. Wollte nicht von ihm angefasst werden.
    »Du musst hereinkommen«, sagte Birger. Er klang nüchtern. Gefasst. Erwachsen. Sie musste sich auch nüchtern, gefasst und erwachsen verhalten. Also überschritt sie die Schwelle und ging hinein.
    Inez hatte die Wände weiß gestrichen, der Boden war immer noch mit den Zeitungen bedeckt, die sie zum Schutz ausgelegt hatte. Sie vergilbten langsam. Und auf die frisch gestrichenen Wände hatte jemand immer und immer wieder den gleichen Namen geschrieben. Björn! Björn! Björn! Mal mit Bleistift. Mal mit Tinte. Ein paarmal mit rotem Filzstift. Aber immer derselbe Name, stets in derselben, unglaublich ordentlichen Handschrift geschrieben, bedeckte die Wände vom Boden bis zur Decke.
    »Sie hat gesagt, sie würde lernen«, sagte Birger. »Aber sie hat nie irgendwelche Bücher gekauft. Hat das hier oben nie eingerichtet. Dann hat sie wohl ganz einfach gelogen. Sie hat sich auch nie an der Universität eingeschrieben.«
    Elsie erwiderte nichts, drehte sich nur langsam um die eigene Achse und betrachtete die Tausende und Abertausende von kleinen Namen. Björn! Björn! Björn! Es war ein Gefühl, wie in einem Schrei eingeschlossen zu sein. Einem stummen Schrei.
    »Sie muss auf einen Stuhl geklettert sein, um ganz oben schreiben zu können«, sagte Birger. »Und hat sich wohl platt auf den Bauch gelegt, um ganz unten zu schreiben. Ich weiß nicht, wie sie es gemacht hat, ich habe es erst entdeckt, als sie schon krank war. Vorher bin ich nie hier hochgekommen. Ich habe gedacht, sie will hier allein sein. Dass sie das braucht. Aber das war ein Fehler, das sehe ich jetzt ein.«
    Elsie

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