Eis und Wasser, Wasser und Eis
geblutet hat. Und Birger einen verdammten Idioten genannt. Und mich ein – äh – verfluchtes Luder.«
»Lieber Gott!«
Susannes Lächeln wurde breiter. Sie genoss es. Je mehr Elsie sich aufregte, desto mehr genoss sie es. Deine Zwillingsschwester , sang es in ihr. Deine Kopie! Dein zweites Ich!
»Drei Polizisten waren nötig, um sie festzuhalten. Drei Stück. Aber als sie sie endlich am Boden überwältigt hatten, konnte der Arzt ihr ja eine Spritze geben.«
Das Bild zog vorüber. Sie sah ihre Mutter oder das blutige Wesen, das zumindest so tat, als wäre es ihre Mutter, zu Boden gezwungen, sie sah drei ausgewachsene Männer darum kämpfen, sie festzuhalten. Einer hielt ihren rechten Arm, der rot war von Blut, mit klaffender Wunde, wie ein Lächeln oder ein höhnisches Grinsen, die erst aufging und dann geschlossen wurde, ein dunkelrotes Rinnsal von Blut lief zur Hand. Nein, nicht eins. Zwei. Drei. Der andere Polizist hielt ihren linken Arm und setzte ihr gleichzeitig ein Knie auf den Rücken, ein dritter griff mit beiden Händen um ihre Schienbeine. Und die ganze Zeit schrie Inez, schrie nach Björn, rief seinen Namen und huldigte ihm, spuckte dann nach Susanne, schrie, sie sei es nicht wert zu leben, und verfluchte sie, versuchte mit blutigen Zähnen nach Birger zu schnappen, sie schrie und fluchte, spuckte und biss, bis der Arzt, der neben ihr kniete, die Nadel aus ihrem entblößten Hintern zog und aufstand. Sekunden später fiel Inez’ Kopf mit einem Rums auf den Boden, und es wurde ganz still im Raum. Die Polizisten blieben in ihrer Haltung, außer Puste und abwartend, blickten dann den Arzt an, der sie ansah und nickte. Sie ließen los. Inez’ Arm fiel zu Boden. Zwei Krankenpfleger hoben sie hoch, legten sie auf eine Trage, und wenig später war sie weg. In einen Operationssaal gerollt, um ihre dreißig Stiche zu bekommen. In ein weißes Nachthemd und eine geblümte Schürze gekleidet. Die Pantoffeln waren weg. Verschwunden. Hatten sich in Luft aufgelöst. Wie das eine oder andere oder eher der eine oder andere sich zuvor bereits in Luft aufgelöst hatte.
»Ich bin in einem Monat zu Hause«, sagte Elsie. »Das verspreche ich.«
Susanne schloss die Augen.
»Ja, ja«, sagte sie, und es gelang ihr, den lässigen Ton beizubehalten, der Elsie so erfolgreich vermittelte, dass es nicht nötig war, dass es eigentlich gar keinen Unterschied machte, ob sie kam oder nicht. »Aber ich muss jetzt aufhören. Das wird sonst zu teuer. Also, tschüs dann.«
Und dann legte sie auf, ohne Elsies Antwort abzuwarten.
Inez flog hoch über den Wolken. Ihre Flügel waren riesig, es rauschte laut im Himmel, wenn sie sie bewegte.
Sie konnte ein Schwan sein, der gerade vom Wasser aufflog.
Ein Seeadler, der nach Beute suchte.
Oder ein Engel.
Ja, sie war ein Engel. Ein Engel mit dunkelblauem Gewand und elfenbeinfarbenen Flügeln. Ein Mutterengel, der einen kleinen Cherub an seiner Brust hielt. Eine Madonna auf dem Weg ins Paradies mit ihrem schlafenden Sohn. Gott hatte den Menschen verziehen, er musste seinen eingeborenen Sohn nicht mehr opfern, er hatte eingesehen, dass er seinen Jungen mehr liebte als seine Schöpfung.
Das war richtig.
Das war in Ordnung.
Alles war endlich, wie es sein sollte.
Susanne sah Eva schon von fern, aber Eva sah sie nicht. Sie überquerte gerade den Rådhustorget, ging so zielstrebig geradeaus, dass sie sich auf jeden Fall begegnen mussten. Eine Sekunde lang war Susanne versucht, sich unsichtbar zu machen, in eine der kleinen Gassen um den Markt herum zu schlüpfen, dort atemlos stehen zu bleiben und zu warten, bis Eva verschwunden war, doch dann ging sie, von wilder Entschlossenheit gepackt, weiter geradeaus. Ging mit energischen Schritten in die gleiche Richtung wie vorher. Auf Eva zu.
Eva sah aus wie immer. Fast. Sie toupierte sich nicht mehr die Haare und hatte sich ihren blonden Pagenkopf etwas kürzer geschnitten, war aber immer noch äußerst modisch gekleidet. Ein Paar große orange Ohrringe aus Plastik schaukelten an ihrem Hals, ihr kurzer Mantel hatte genau die gleiche Farbe, und die braune Handtasche hatte drei orange Knöpfe in einer Reihe. Sie ging sehr aufrecht, aber mit halb geschlossenen Augen, als müsste sie sich vor den Blicken der anderen Landskronabewohner schützen. Was möglicherweise eine richtige Einschätzung war. Die Leute drehten sich nach ihr um, schauten ihr hinterher. Eva Salomonsson! Die in der Zeitung gewesen war. Oder in allen Zeitungen.
Vielleicht
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