Eisberg
Ihnen gerade ein Gegenmittel überreichen.« Nach kurzer Pause, in der der Russe nicht wußte, was er sagen sollte, fuhr Pitt fort: »Hier das versprochene Mitbringsel von meinem Spaziergang zum nächsten Schnapsladen.« Er schwenkte die Wodkaflasche.
Tamareztov starrte ihn entgeistert an.
»Wenn ich etwas verspreche, halte ich es auch.« Pitt bettete den Kopf des Russen in seiner Armbeuge und führte ihm die Flasche an die Lippen. »Trinken Sie!«
Tamareztov trank in tiefen Zügen etwa ein Viertel der Flasche aus, bis Pitt sie ihm wieder wegnahm. Er nickte und murmelte so etwas wie: »Danke schön.« Seine Augen bekamen einen warmen, herzlichen Glanz. »Ein Original-Wodka, ein original russischer Wodka. Wie in aller Welt haben Sie das geschafft?« fragte er.
Pitt schob die Flasche unter Tamareztovs Achsel. »Ich habe ihn gekauft«, sagte er. Dann stand er auf und wandte sich zum Gehen.
»Major Pitt?«
»Ja?«
»Danke«, sagte Tamareztov einfach.
Der Schnee hatte den alten Sam Kelly zugedeckt, und er starrte mit leerem Blick in die Wolken, als Pitt ihn fand. Sein ruhiges, ernstes Gesicht hatte den Ausdruck eines Menschen, dem der Schmerz nichts mehr anhaben konnte, eines Menschen, der seinen Frieden gefunden hatte. Ein Sanitäter beugte sich über ihn und untersuchte ihn.
»Das Herz?« fragte Pitt leise. Er hatte irgendwie Angst, er könnte den Toten aufwecken.
»Ja, Sir. Aber bei seinem Alter war das nur natürlich.« Der Sanitäter wandte sich um und fragte Hull, der nur ein paar Meter entfernt stand: »Sollen wir ihn raufbringen, Captain?«
»Laßt ihn liegen«, erwiderte Hull. »Wir müssen uns zuerst um die Lebenden kümmern. Das geht vor.«
»Sie haben recht«, erklärte Pitt müde. »Sie haben hier das Zepter in der Hand, Captain.«
Hulls Stimme nahm einen wärmeren Klang an. »Sie kennen diesen Mann, Sir?«
»Ich wünschte, ich hätte ihn besser gekannt. Er heißt Sam Kelly.«
Der Name sagte Huld offensichtlich nichts. »Warum lassen
Sie
sich nicht nach oben bringen, Major? Sie sind selbst nicht im besten Zustand.«
»Ich bleibe hier bei Sam.« Pitt langte hinunter, drückte sanft Kellys Augen zu und wischte ihm die Schneeflocken aus dem alten, runzligen Gesicht. Dann nahm er eine Zigarre aus dem Kistchen und steckte sie in Kellys Brusttasche.
Huld stand regungslos dabei und suchte nach Worten. Er wollte schon etwas sagen, überlegte es sich dann aber doch anders und nickte statt dessen nur in stillem Einverständnis.
Schließlich wandte er sich ab und machte sich wieder an die Arbeit.
20. Kapitel
Sandecker schloß die Akte, legte sie auf den Tisch und beugte sich nach vorn, als wollte er gleich aufspringen. »Wenn Sie mich um Erlaubnis bitten, lautet meine völlig unmißverständliche Antwort:
Nein.«
»Sie bringen mich in eine peinliche Situation, Admiral.«
Der Mann, der Sandecker gegenübersaß, war klein, aber ziemlich untersetzt; er nahm den Stuhl in seiner ganzen Breite ein. Er trug einen unscheinbaren schwarzen Anzug, ein weißes Hemd und eine schwarze Krawatte. Fortwährend strich er sich über seine Glatze, als suchte er nach dem Haar, das dort einmal gewachsen war. Seine grauen Augen wichen Sandeckers zornigem Blick nicht aus. »Ich hatte wirklich gehofft, wir würden uns einig werden. Da das aber offensichtlich nicht der Fall ist, muß ich Sie darüber aufklären, daß ich nur aus reiner Höflichkeit hier bin. Der Befehl zu Major Pitts Versetzung liegt mir bereits vor.«
»Wer hat ihn unterschrieben?« fragte Sandecker.
»Der Staatssekretär im Verteidigungsministerium«, erwiderte sein Gegenüber trocken.
»Wären Sie vielleicht so liebenswürdig, mir den Befehl zu zeigen?« fragte Sandecker. Er spielte seinen letzten Trumpf aus und wußte das.
»Selbstverständlich.« Sandeckers Besucher seufzte. Er griff in seine Aktentasche, förderte einige Papiere zutage und gab sie Sandecker.
Still sah der Admiral die Anweisungen durch. Dann verzogen sich seine Lippen zu einem gequälten Lächeln. »Ich hatte nicht die kleinste Chance, nicht wahr?«
»Nein.«
Sandecker starrte abermals auf die Papiere in seiner Hand und schüttelte den Kopf. »Sie verlangen zuviel … zuviel.«
»Mir gefällt die Sache auch nicht; doch wir dürfen keine Zeit verlieren. Dieser ganze Plan der Eremit Ltd. – ein naiver Plan! – ist total unbrauchbar. Ich gebe zu, daß die Sache begeistert klingt: Die Welt retten und das Paradies auf Erden errichten. Wer weiß, vielleicht würde es F. James
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