Eisberg
anschließend hat er sie über das Schiff verteilt, ist mit einem Flammenwerfer von Raum zu Raum gegangen …« Koski ließ seinen Satz unvollendet. »Aber dann? Wohin ist der Mörder von hier aus geflohen?«
»Bevor wir dieser Frage nachgehen«, sagte Hunnewell müde, »erklärt mir einer der Herren vielleicht, wie der Mörder hier überhaupt auftauchen konnte. Er war offensichtlich weder Passagier, noch gehörte er zur Besatzung. Die
Lax
trat ihre Fahrt mit fünfzehn Menschen an Bord an, und jetzt liegt sie hier mit fünfzehn Leichen an Bord. Die logische Folgerung ist: Das hier ist das Werk eines Mannes – vielleicht auch Teams –, der die
Lax
von einem zweiten Schiff aus bestiegen hat.«
»Das ist nicht möglich«, sagte Koski. »Jeder Leutewechsel auf offener See muß gemeldet werden. Selbst wenn die
Lax
Überlebende eines vorgetäuschten Schiffbruchs aufgenommen hätte, hätte der Kapitän das sofort per Funk weitergegeben.« Koski lächelte plötzlich. »Soweit ich mich erinnern kann, bat Fyrie in seinem letzten Funkspruch, man möchte ihm eine Suite im Dachgeschoß des New Yorker Hilton reservieren.«
»Das arme Schwein«, meinte Dover nachdenklich. »Wenn das alles ist, was einem von Geld und Erfolg bleibt, dann verzichte ich lieber.« Er schaute auf den verkohlten Leichnam zu seinen Füßen und wandte sich schnell wieder ab. »Was für ein Verrückter muß das bloß gewesen sein, der fünfzehn Menschen auf einen Streich ermordet hat? Der fünfzehn Leute systematisch vergiftet und dann seelenruhig mit einem Flammenwerfer verbrannt hat?«
»Andere Verrückte sprengen Flugzeuge der Versicherungsprämie wegen in die Luft«, erwiderte Pitt. »Es gibt Menschen, die andere Menschen ohne die geringsten Gewissensbisse umbringen, so wie Sie eine Fliege zerquetschen. Hier ist das Motiv offensichtlich Gewinnsucht. Fyrie und seine Leute haben eine höchst wertvolle Entdeckung gemacht. Die Vereinigten Staaten wollten sie haben, die Russen wollten sie haben; doch jetzt ist ein großer Unbekannter damit verschwunden.«
»War die Entdeckung denn ein solches Grauen wert?« fragte Hunnewell. Er sah ganz elend aus.
»Dem sechzehnten Mann war sie es wert.« Pitt starrte auf die entsetzlichen Überreste auf dem Boden. »Diesem unbekannten Eindringling, der der ganzen Mannschaft den Tod brachte.«
5. Kapitel
Island, das Land aus Eis und Feuer, das Land der zerklüfteten Gletscher und schwelenden Vulkane. In seiner Farbenpalette mischt sich das Rot der Lavaströme mit dem Grün der windüberwehten Tundra und dem tiefen Blau der stillen Seen, überglänzt vom goldenen Schein der Mitternachtssonne. Vom Atlantischen Ozean umspült, im Süden vom Golfstrom und im Norden von den eisigen Wassern des Polarmeeres begrenzt, liegt Island, folgt man der Luftlinie, zwischen Moskau und New York genau auf halber Strecke. Es ist ein merkwürdiges Land, reich an Abwechslungen und bei weitem nicht so kalt, wie der Name vermuten läßt.
Die Durchschnittstemperatur während des kalten Monats Januar sinkt selten unter die der amerikanischen Küste bei Neuengland. Dem, der Island zum erstenmal erblickt, kommt die Insel wie ein einmaliges Wunder an Schönheit vor.
Pitt beobachtete, wie die schneebedeckten, zerrissenen Gipfel der Insel aus dem Dunst auftauchten und wie die Farbe des glitzernden Wassers unter der
Ulysses
vom dunklen Blau des tiefen Ozeans in das intensive Grün der Brandung nahe der Küste überging. Er bediente das Steuer. Der Helikopter verlor an Höhe, um dann auf einen Kurs parallel zu den Lavaklippen einzuschwenken, die jäh aus der See ragten. Sie überflogen ein winziges Fischerdorf, das sich in eine halbkreisförmige Bucht schmiegte und dessen Dächer in den verschiedensten Farbtönen, von Ziegelrot bis Pastellgrün, leuchteten – ein einsamer menschlicher Vorposten am Tor zum Polarkreis.
»Wie spät ist es?« fragte Hunnewell, der gerade aus einem Schlummer aufwachte.
»Zehn nach vier in der Frühe«, antwortete Pitt.
»Mein Gott! Wenn man sich die Sonne anschaut, könnte man glauben, es ist vier Uhr nachmittags.« Hunnewell gähnte und machte den vergeblichen Versuch, sich in dem engen Raum des Cockpits zu strecken. »Ich würde meinen rechten Arm dafür geben, wenn ich in den Federn eines schönen weichen Bettes liegen dürfte.«
»Schlafen Sie nicht wieder ein. Es dauert nicht mehr lange.«
»Wie weit ist es noch bis Reykjavik?«
»Eine halbe Stunde.« Pitt machte eine Pause, um die Instrumente zu
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