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Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Eisenherz - Förg, N: Eisenherz

Titel: Eisenherz - Förg, N: Eisenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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Pferde. Sie stiegen, sie stürzten hin. Dabei drillte er die Pferde nicht, er war achtsam. Dennoch konsequent. Marco kam an den Zaun geritten, ließ den Hengst vor ihr steigen.
    »Steig auf!«, sagte er.
    »Ich?«
    »Natürlich du. Du kannst doch reiten. Du bist eine Frau mit Mut und Verstand. Du bist ein Alpha-Mensch. Der Hengst ist ein Alpha-Tier. Wenn ihr euch gegenseitig respektiert, könnt ihr ein gutes Team werden.«
    Jo glitt in den Sattel. Fast ehrfürchtig. Sie umrundete die Arena im Trab, das war pure Kraft und Leidenschaft da unter ihr. Galopp, immer engere Zirkel. Eigentlich kann ein Pferd auf solchen Zirkeln gar nicht mehr galoppieren. Dieses konnte. Es gab nur drei Dinge im Leben, die so einzigartig unmittelbar waren: auf einem Pferd zu sitzen, das in den Himmel flog, auf Skiern durch den Tiefschnee zu tanzen, der Sonne entgegen, ein Orgasmus. In dieser Reihenfolge. Sie stoppte punktgenau vor Marco.
    »Das ging so«, sagte er. Und dann folgte eine lange Liste ihrer Fehler: Hand zu unruhig, Bein zu zappelig. Hüfte geknickt. Zu wenig Präsenz auf dem Pferd.
    »Aber er hat gemacht, was ich wollte«, wehrte sich Jo.
    »Er machte dich glauben, er hätte gemacht, was du wolltest. Er ist ein Profi. Kennst du Sophie Marceau? Naturellement kennst du sie. Bei einem Dreh mit mir hatte sie ständig ein Rechts-links-Problem. Sie sollte laut Drehbuch nach links reiten, dirigierte das Pferd aber nach rechts. Das Pferd ging trotzdem nach links. Verstehst du?«
    »Hmm. Dann lass ich das lieber mit dem Stuntreiten?«, fragte Jo.
    »Gib nicht so schnell auf. Und trau lieber deinen Kritikern. Den Schmeichlern gegenüber solltest du skeptisch sein.« Er wandte sich ab und gab einige kurze Befehle an die Ritter, die angefangen hatten, das Tjosten, den spektakulären Reiterzweikampf, zu trainieren.
    Sie jagten aufeinander zu. Die Lanzen nach vorne gereckt. Mit dreißig Stundenkilometern ritten sie, pure Gewalt und pure Ästhetik. Einer fiel zu Boden. Viel zu früh. Marco war unzufrieden.
    »Das hier ist live! Wir können nicht wieder und wieder drehen. Stürz gefälligst erst, wenn dich die Lanze trifft!«
    »Faszinierend, oder?« Ein Mann stand neben Jo.
    »Wussten Sie, dass es Versuche in der Crashtest-Zentrale in Landsberg gab, die herausfinden wollten, was passiert, wenn die Lanze in vollem Aufprall den Ritter trifft? Der hatte im Mittelalter zwar eine Fünfundvierzig-Kilo-Rüstung an, aber die Verbindungen brachen, und Rüstungsteile flogen regelrecht umher. Das Tjosten war oft tödlich.«
    Jo schenkte ihm einen gelangweilten Blick. »Zufällig wusste ich das. Und als die ersten Langbogen kamen, wurde es besonders gefährlich. So ein Pfeil ging voll durch das Kettenhemd, die Glieder brachen einfach. Hundertneunzig Kilometer hatte so ein Bogen drauf. Das war immer tödlich. Die Rüstung gaukelte nur Sicherheit vor.« Sie machte eine effektvolle Pause und grinste. »Das alles steht in der Pressemitteilung. Die ich zufällig verfasst habe.«
    Der Mann schwieg. Schenkte ihr einen angewiderten Blick und straffte die Schultern. »Ich sehe Sie dann bei der Premiere, Frau Doktor Kennerknecht.« Er betonte das Doktor sehr deutlich und ließ seine Augen diesen Tick zu lange auf ihrem Mieder ruhen, bevor er sich abwandte und davonging.
    »So ein Arschloch!« Hubert Holzer, der Geländespengler, war neben Jo getreten. Die lachte.
    »Lieber Herr Holzer, welch böse Worte!«
    »Stimmt doch, ein Granatenarschloch!«
    Sie plänkelten noch eine Weile hin und her, lästerten ein bisschen über den Typen. Dabei war der noch von der harmloseren Sorte, da hatte sie schon mit ganz anderen zu tun gehabt.
    Jo teilte die Journalisten in drei Kategorien ein: Die-den-Namen-verdienen-Typen, Die-wissen-Sie-wer-ich-bin-Nervensägen und Die-mit-der-Business-Karte-Tänzer.
    Erstere waren Profis, wollten ihren Job machen, hatten klare Aufträge von real existierenden Medien und klare Vorstellungen. Das waren die wenigsten! Die zweiten waren durchaus Angehörige oder Mitarbeiter angesehener Blätter, vor allem hatten sie keinen Mangel an Selbstvertrauen zu beklagen. Sie waren wichtig, überirdisch wichtig, und deshalb war es ja sonnenklar, dass der extraterrestrisch prominente Kollege nicht nur eine Eintrittskarte erwartete, sondern eine für Frau und Kind und Kegel und Enkel und Haustier. Dieses Phänomen kannte sie noch aus ihrer Zeit in der Reisebranche. Kollege Oberwichtig wollte in einem Skigebiet recherchieren und brauchte dazu Skipässe für

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