Eisenherz - Förg, N: Eisenherz
sofort halbtot ins Bett gefallen. Als sie um sieben aufwachte, war sie trotz der neun Stunden Schlaf wenig erholt. Sie hatte extrem schlecht geschlafen, hatte von einem Pferd geträumt, das in einer Mondnacht wild dahingaloppierte und immer wieder in einem Stacheldrahtzaun hängen blieb. Stets die gleiche Szene, als würde ein krankes Gemüt diesen Film bewusst zurückspulen.
Die unruhige Nacht hatte allerdings auch damit zu tun, dass die Katzen beschlossen hatten, ab fünf Uhr auf ihrem Bett Fangen zu spielen und zu raufen, dass die Haarbüschel nur so flogen. Als Jo sich schließlich überwinden konnte, die Wärme des Bettes zu verlassen und Richtung Bad zu tapsen, trat sie in etwas Weiches. Es ringelte sich um ihre große Zehe. Igitt! Ein Mäuseschwanz! Jo schüttelte hektisch den Fuß, versonnen beäugt von Pina Grigia, einer langbeinigen Tigerin, die immer einen leicht nachdenklichen oder verdutzten Gesichtsausdruck hatte. Was an ihrer schrägen Augenstellung und der natürlichen »Kajalumrahmung« lag. Sie schien nachzudenken, warum ihr Mensch so seltsam mit dem Fuß wedelte. Dann gähnte sie und rülpste herzhaft. Ja, der Rest des Mäusetiers war wohl ihr Frühstück gewesen. Jo musste lachen, flüchtete ins Bad, wo sie ausgiebig duschte. Um den Traum zu vertreiben – und den Mäuseschwanz!
Heute zog Jo eine Lederhose an, mit einem Lederwams und einem Robin-Hood-Hütchen mit Feder. Sie hatte diese Schwammkleider echt satt.
Als sie in ihrem Büro ankam, war es noch ganz still, bis auf den Regen, der monoton tropfte. Die Tagesaufgaben waren ebenfalls monoton. Pressekarten vergeben, Pressemappen versenden. Gegen Nachmittag suchte sie Marco auf, der in einem der Container, die sich backstage reihten, vor schwarzem Kaffee hockte. Es gab nichts Neues. Jo versuchte ihn erneut davon zu überzeugen, dass sie die Polizei kommen lassen sollten. Aber Marco war uneinsichtig. Er hatte überall herumtelefoniert. Er hatte Späher ausgeschickt, das Pferd aufzutreiben. Späher in ganz neuzeitlichen Autos. Er drohte Jo fast, als sie erneut damit anfing, sie müssten die Polizei rufen. Verdammt, dieser französische Sturschädel.
Sie hatte ihn so bewundert, als er hier angekommen war. Der Pferdeflüsterer. Der Held auf dem Schimmel. Momentan aber war er einfach ein Unsympath und arrogant dazu. Er scheuchte sie wie eine lästige Fliege. Er habe zu tun. Er müsse an seiner Geschichte feilen. Als ob die Gralssage seine Erfindung wäre. Diese verdammte verwirrende Legende. Als ob sie nichts damit zu tun hätte! Wütend stapfte sie durch den Regen, ihre Schuhe quietschen beim Gehen, weil Jo mal wieder im Wasser stand. Dieser verdammte Regen, dieser starrsinnige Marco, dieser blöde Gral und dieses dämliche neue Interview, das sie nun wieder in Angriff nahm. Das mit Artus.
Herr Artus, sind Sie bloß ‘ne Sagenfigur?
Artus: Was heißt denn bloß? Und wenn, dann hat das unschätzbare Vorteile. Das keltische Krönungsritual sah vor, dass eine weiße Stute geschlachtet und zu Suppe gekocht wurde, in der der künftige König baden musste. Ist das widerlich!
Und so weiter. Jo kämpfte um gute Ideen, im Allgäu, ihrer Heimat, sagte man »verkopfa« dazu. Als sie schließlich ihren Text abgespeichert hatte, war sie ganz zufrieden. So dumm war die Idee vielleicht doch nicht. Sie beschloss sich selbst mal zu loben, wenn’s schon sonst keiner tat. Sie war gehobener Stimmung, bis Marco hereingefegt kam. Der hatte ihr gerade noch gefehlt, aber anstatt erneut mit seinem Starrsinn zu nerven, wirbelte er Jo auf ihrem Drehstuhl herum und küsste ihr theatralisch die Hand.
»Der Hengst ist wieder da!«
»Suente?«
»Ja, er ist in Pflaumdorf auf dem Ponyhof gestrandet.«
»Gestrandet?«
»Ich kann mir das nur so erklären, dass ihn irgendwer in einen Stall oder einer Koppel oder was auch immer gesperrt hat, und da ist er dann ausgebrochen. Man kann einen solchen Hengst nicht einfach irgendwo abstellen. Er wurde auch in Eresing gesehen, als er durch ein Neubaugebiet galoppiert ist, und dann hat er wohl den Kontakt von Artgenossen gesucht. Jedenfalls ist er in Pflaumdorf auf dem Ponyhof aufgetaucht, an den Koppeln entlanggaloppiert, hat die kleinen Stuten bezaubert, bis ihn die Besitzerin wieder eingefangen hat. Sie ahnte, dass er hierher gehört.«
»Und sie hat sich gar nicht gewundert, dass ihr ein Ritterpferd zuläuft?« Jo war immer noch sauer.
»Nein!« Marco hatte die Stirn gerunzelt. »Einem meiner Jungs ist der Hengst auf einem
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