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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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eröffnet, zu einer Form, bekannte Konturen kamen zum Vorschein. Er kniete nieder und wischte mit der Hand vorsichtig die Erde weg. Am Boden des Lochs hatte sich etwas Wasser angesammelt. Er sah weder Holzsplitter noch andere Hinweise auf einen Sarg.
    Als er schließlich mit der Laterne das Loch ausleuchtete, sah er das, was sich über der letzten Ruhestätte von Þórhildur Vilhjálmsdóttir befand. Die alte Frau hatte ihr Grab mit jemandem teilen müssen. Bei Nacht und Nebel war ein ungebetener und unfreiwilliger Gast zu ihr gelegt und verscharrt worden.
    Zuerst waren Schneidezähne deutlich zu erkennen, halb bedeckt von dem trüben Wasser. Dann kam ein Teil des Schädels zum Vorschein, Unterkiefer und Backenzähne. Erlendur wusste, dass er die sterblichen Überreste von Matthildur Kjartansdóttir gefunden hatte, die angeblich im schlimmen Januarunwetter des Jahres 1942 auf dem Weg über die Irrlichtscharte ums Leben gekommen war.

Siebenundfünfzig
    Er öffnet die Augen. Immer noch diese Frage.
    »Ich weiß, wer du bist«, sagt er.
    »Ja«, sagt der Reisende.
    »Du kamst einmal zu uns und hast mit Bergur gesprochen.«
    »Du erinnerst dich also daran.«
    »Du hast gesagt, wir würden ihn nicht lange bei uns behalten dürfen.«
    Der Reisende erwidert nichts.
    »Weil seine Seele schön war. Du warst es. Ich kann mich gut an dich erinnern. Wer bist du? Weshalb bist du hier?«
    Der Mann antwortet nicht.
    »Wo sind wir?«
    Er hat das Gefühl, als befände er sich auf seinem Lager in dem verlassenen Hof, als wäre der Mann gekommen, um ihn zu besuchen. Aber das konnte nicht stimmen, denn er weiß, dass er den Hof verlassen hat. Seine Sachen sind noch dort, auch sein Auto, aber er ist allein und ohne alles aufgestiegen, hoch zum Harðskafi, zur Nordseite. Das zumindest glaubt er mit Sicherheit zu wissen, auch wenn die Kälte ihm langsam, aber sicher den Garaus zu machen scheint, auch wenn er immer nur höchstens für einen Augenblick bei Bewusstsein ist und seine Gedanken verwirrt sind. Er kann gar nicht mit dem Mann auf dem verlassenen Hof sprechen, weil dort niemand ist, und er selbst auch nicht.
    »Weißt du das nicht?«, fragt der Reisende.
    »Woher kommst du?«, fragt er.
    Der Mann antwortet nicht.
    »Wo bin ich?«
    Wieder merkt er, dass der Reisende, der einmal bei ihnen in Bakkasel zu Besuch war und von seinen Eltern bewirtet wurde, nicht allein unterwegs ist. Bei ihm ist ein verborgenes Wesen, das er nicht sehen kann, sondern nur spürt, diesmal so stark wie nie zuvor.
    »Wer ist bei dir?«, fragt er.
    »Wer?«
    »Wer ist da bei dir? Wer ist das?«
    »Du brauchst keine Angst vor ihm zu haben.«
    Schweigen.
    »Glaubst du, dass es an der Zeit ist, ihn zu treffen?«
    »Wer ist das?«
    »Du lässt ihn nicht an dich heran, aber du weißt, wer er ist. Im Innersten. Du weißt, wer mich zu dir begleitet hat. Er hat gesagt, dass du nichts zu befürchten hast. Glaubst du das? Glaubst du es, wenn er sagt, dass du nichts zu befürchten hast?«
    Schweigen.
    »Du weißt, wer es ist.«
    »Es ist doch nicht …«
    »Du hältst ihn von dir fern.«
    Als der Reisende verschwindet, glaubt er, eine Kinderstimme zu hören. Sie ist schwach und weit weg, und er kann keine Worte unterscheiden. Er weiß, wem sie gehört, und er weiß, wer in Begleitung dieses Mannes gekommen ist. Diese Stimme hat er lange nicht gehört, und er war davon ausgegangen, dass er sie nie wieder hören würde.
    Einen Augenblick später kommt er wieder zu sich, aber nur um zu spüren, dass die Kälte ihn noch fester umkrallt.
    Und dann verliert er wieder das Bewusstsein.

Achtundfünfzig
    Er hatte die sterblichen Überreste von Matthildur gefunden. Aber er verspürte keine Genugtuung, keine Freude über das, was er erreicht hatte. Vielmehr Trauer und das dringende Bedürfnis, so schnell wie möglich zu Ezra zu fahren, um dessen Warten auf Antworten ein Ende zu machen. Erlendur schaufelte das Grab hastig wieder zu, legte die Grasdecke darüber, warf noch ein paar Schaufeln Schnee darauf und hoffte inständig, dass niemand so schnell auf sein Tun aufmerksam werden würde. Dann wickelte er das Messer in eine Plastiktüte, nahm Schaufel und Gaslampe zur Hand und beeilte sich, zum Auto zu kommen.
    Ezras Haus lag völlig im Dunkeln, als er eintraf. Die Autoscheinwerfer erleuchteten es einen Moment, bevor er den Motor ausschaltete und ausstieg. Im Haus brannte kein Licht, und auch das Außenlicht war kaputt. Erlendur hatte das schon vor einigen Tagen bemerkt und Ezra

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