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Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition)

Titel: Eiseskälte: Island-Krimi (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indriðason
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verlegt hat. Das Biest richtet immer mehr Schaden an.«
    »Ein Fuchs?«
    Bóas strich sich übers Kinn. »Neulich habe ich beobachtet, wie er um den Schafstall herumgeschlichen ist. Er hat auch eins von meinen Lämmern gerissen und die anderen Tiere verschreckt.«
    »Treibt er sich hier oben herum?«
    »Ich habe gesehen, wie er in diese Richtung gelaufen ist. Ich habe ihn zweimal gesehen, und ich glaube, ich weiß, wo sein Bau ist. Bist du auch auf dem Weg nach oben? Dann können wir gerne ein Stück zusammen gehen, wenn du möchtest.«
    Erlendur zögerte, nickte dann aber zustimmend. Der Bauer schien zufrieden zu sein, wahrscheinlich freute er sich über Gesellschaft. Über der einen Schulter trug er die Jagdflinte, über der anderen eine Munitionstasche und einen abgewetzten Lederbeutel. Bóas ging auf die siebzig zu, er war ein kleiner Mann mit raschen Bewegungen. Er trug eine dunkelgrüne abgetragenen Wetterjacke und eine Regenhose in derselben Farbe, aber keine Kopfbedeckung. Das dichte Haar fiel ihm in die Stirn und verdeckte manchmal die wachsamen Augen. Die schiefe, flache Nase machte den Eindruck, als hätte er sie sich vor langer Zeit einmal gebrochen und nicht richtig behandeln lassen. Durch den ungepflegten Bart konnte man den Mund nur sehen, wenn er etwas sagte. Das geschah aber ziemlich häufig, da er gesprächig war und gerne seine Ansichten über alles Mögliche zwischen Himmel und Erde zum Besten gab. Doch er bemühte sich, Erlendur nicht zu sehr mit Fragen darüber zuzusetzen, was er in den Bergen wollte oder warum er sich in Bakkasel aufhielt.
    Erlendur hatte sich im alten Wohnhaus des verlassenen Hofs seiner Eltern einquartiert. Das Dach war zwar noch vorhanden, aber es war an einigen Stellen undicht, und die Balken waren morsch. Im ehemaligen Wohnzimmer hatte er eine Ecke gefunden, in der es trocken blieb, auch wenn es draußen regnete und stürmte und der Wind um die kahlen Wände heulte. Sie schützten immer noch gut vor dem Wetter, und die kleine Gaslampe, die er mitgebracht hatte, verströmte ein wenig Wärme. Er verwendete sie nur sehr sparsam, damit die Gaskartusche so lange wie möglich reichte. Die Lampe spendete ein fahles Licht, und ringsherum war es dunkel wie in einem Sarg.
    Irgendwann war der Hof mit seinen Ländereien in den Besitz einer Bank gelangt. Erlendur hatte keine Ahnung, ob jemand ihn gekauft hatte und wem er inzwischen gehörte. Bisher hatte sich aber nie jemand beschwert, wenn er während seiner Aufenthalte in den Ostfjorden auf dem verlassenen Hof wohnte. Viel Gepäck hatte er nicht dabei. Mit seinem Mietwagen, einem kleinen, blauen Jeep, hatte er die Auffahrt zum Haus nur mit Mühe bewältigen können, denn der ehemalige Weg war so gut wie nicht mehr vorhanden. Alles war überwuchert, auch dort, wo früher nie etwas gewachsen war. Es gab fast überhaupt keine Anzeichen mehr dafür, dass hier einmal Menschen gelebt hatten. Die Natur arbeitete langsam, aber sicher daran, den Ort wieder in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuverwandeln, dachte er.
    Die beiden Männer stiegen höher hinauf in die Berge. Die Sicht verschlechterte sich ständig, und schließlich waren sie ganz von milchweißem Nebel eingehüllt. Feiner Sprühregen legte sich über die Vegetation, sodass sie Spuren im Gras hinterließen. Der Jäger lauschte auf Vogellaute und versuchte, auf dem feuchten Boden die Fährte seines Feindes auszumachen. Erlendur folgte ihm schweigend. Er hatte nie einem Fuchs vor dem Bau aufgelauert, hatte nie ein Tier erlegt und niemals in Flüssen oder Seen geangelt und erst recht nicht Jagd auf größeres Wild wie Rentiere gemacht. Es hatte ganz den Anschein, als könne Bóas seine Gedanken lesen.
    »Du hast es nicht so mit dem Jagen?«, fragte er und schickte sich an, eine Pause einzulegen.
    »Nein, das kann man nicht gerade behaupten.«
    »Ich bin damit aufgewachsen«, erklärte Bóas und öffnete seinen Lederbeutel, holte seinen Proviant heraus, Roggenbrot und Lammpastete. Er reichte Erlendur eine Scheibe Brot und schnitt dazu ein Stück von der Pastete ab.
    »Aber heutzutage bin ich eigentlich nur noch hinter Füchsen her«, sagte er. »Um den Bestand in Grenzen zu halten. Dieses arme Geschöpf macht immer mehr Ärger, wenn man es so ausdrücken darf. Ich hab ja nichts gegen den Fuchs, er hat genau dasselbe Recht auf Leben wie alle anderen Kreaturen. Aber von den Schafen muss man ihn fernhalten. Alles muss irgendwie im Gleichgewicht sein.«
    Sie aßen das Roggenbrot mit

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