Eisfieber - Roman
Fragen nicht zu beantworten.«
»Da bin ich aber ganz anderer Meinung.« Olga nahm wieder Nigel ins Visier. »Drei Fremde sitzen in meines Vaters Küche, schlagen sich den Bauch voll und tischen uns eine völlig unglaubwürdige Geschichte auf. Ich denke schon, dass Sie uns noch einige Auskünfte schuldig sind.«
»Olga, ist das denn wirklich nötig?«, wandte Kit nervös ein. »Das sind drei ganz normale Mitbürger, die im Schnee stecken geblieben sind …«
»Bist du dir da sicher?«, gab sie zurück, ohne Nigel aus den Augen zu lassen, der bisher ganz locker gewirkt hatte, aber allmählich die Geduld zu verlieren schien.
Sichtlich verärgert sagte er jetzt: »Dieses Verhör gefällt mir nicht.«
»Wenn es Ihnen nicht gefällt, können Sie ja gehen«, sagte Olga. »Doch wenn Sie hier in meinem Elternhaus bleiben wollen, lassen Sie sich gefälligst was Besseres einfallen als das Blabla, das Sie uns bisher geboten haben.«
»Wir können nicht gehen«, sagte Elton empört. »Schauen Sie doch mal zum Fenster raus, dieser beschissene Schneesturm ist noch immer nicht vorbei.«
»Bitte enthalten Sie sich dieser Fäkalsprache in unserem Haus. Meine Mutter hat diese Ausdrucksweise nie geduldet, und wenn, dann allenfalls in fremden Sprachen. Wir halten uns auch nach ihrem Tod noch an ihr Gebot.« Olga griff nach der Kaffeekanne und deutete auf die burgunderfarbene Aktentasche auf dem Tisch. »Was ist das denn?«
»Meine Aktentasche«, sagte Nigel.
»Nun, bei uns stellt man sein Gepäck nicht auf den Esstisch.« Sie streckte die Hand aus und nahm die Mappe vom Tisch. »Ist ja nicht schwer – aua!« Nigel hatte sie am Arm gepackt. »Das tut weh!«, schrie sie.
Die joviale Maske war von Nigel abgefallen. Leise, aber unmissverständlich, sagte er: »Stellen Sie die Tasche wieder hin. Sofort.«
In Mantel, Handschuhen und Stiefeln stand plötzlich Stanley neben Miranda. »Was fällt Ihnen ein?«, fuhr er Nigel an. »Lassen Sie sofort meine Tochter los!«
Nellie bellte laut. Rasch griff Elton nach unten und packte die Hündin am Halsband.
Eigensinnig hielt Olga die Mappe fest.
»Stell die Tasche wieder hin, Olga«, sagte Kit.
Daisy grabschte nach der Tasche. Olga versuchte, sie festzuhalten – und plötzlich ging sie auf. Verpackungschips aus Styropor fielen heraus und verteilten sich auf dem Küchentisch. Kit stieß einen Angstschrei aus, und Miranda wunderte sich: Wovor fürchtet er sich denn? Eine Parfümflasche in einem durchsichtigen Plastikbeutel kullerte aus der Mappe.
Olga gab Nigel mit der freien Hand eine Ohrfeige.
Nigel schlug sofort zurück, und plötzlich brüllte alles durcheinander. Stanley gab einen Laut der Empörung von sich, schob sich an Miranda vorbei und ging auf Nigel los. Miranda rief: »Nein!«
Daisy stellte sich Stanley in den Weg. Er versuchte sie beiseite zu schieben. Es kam zu einem kurzen Gerangel, und plötzlich schrie Stanley auf und taumelte zurück.
Aus seinem Mund lief Blut.
Und mit einem Male hielten Nigel und Daisy Pistolen in den Händen.
Alle schwiegen bis auf Nellie, die wie verrückt bellte. Elton drehte ihr mit dem Halsband die Luft ab, bis sie still war. Danach herrschte absolute Stille in der Küche.
Olga fragte: »Wer, zum Teufel, sind sie eigentlich?«
Stanley betrachtete sorgenvoll den Parfümzerstäuber auf dem Tisch und fragte: »Warum ist diese Flasche doppelt verpackt?«
Miranda stahl sich heimlich davon.
05.45 Uhr
Entsetzt starrte Kit auf das Diablerie -Flakon auf dem Küchentisch. Aber das Glas war nicht zerbrochen, der Verschluss hatte sich nicht gelöst, und auch die beiden Tüten waren unversehrt. Die tödliche Flüssigkeit blieb sicher verwahrt in ihrem zerbrechlichen Behälter.
Nachdem Nigel und Daisy ihre Waffen gezogen hatten, konnten die drei unerwünschten Gäste ihre Maskerade als unschuldige Schneesturmopfer nicht länger aufrechterhalten. Sobald die Nachricht von dem Überfall auf das Labor bekannt wurde, waren sie automatisch die Hauptverdächtigen.
Doch während Nigel, Daisy und Elton vielleicht entkommen konnten, befand sich Kit in einer anderen Situation. Seine Identität stand fest – und das bedeutete, dass er selbst dann, wenn er sich vielleicht vorerst noch der Verhaftung entziehen konnte, den Rest seines Lebens auf der Flucht vor dem Gesetz würde verbringen müssen.
Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg aus der verfahrenen Lage.
Dann, als alle wie festgefroren dastanden und auf die
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