Eisfieber - Roman
bösartigen, kleinen dunkelgrauen Pistolen starrten, bewegte Nigel seine Waffe um Zentimeterbruchteile zur Seite und bedrohte auf einmal voller Misstrauen auch Kit – und Kit hatte eine Idee.
Meine Familie, rief er sich ins Bewusstsein, hat bis jetzt keinen Grund, mich zu verdächtigen. Die drei Ganoven können mir auf ihrer Flucht was vorgemacht haben. Ich kenne sie nicht, jedenfalls nach außen hin, und keiner kann mir das Gegenteil beweisen …
Die Frage ist nur: Wie verhalte ich mich, damit mir das auch weiterhin geglaubt wird?
Langsam hob er die Hände – die traditionelle Geste der Kapitulation.
Alle starrten ihn an. Kit glaubte einen Augenblick lang, die Bande selbst würde ihn verraten. Nigel runzelte die Stirn, Elton war völlig überrascht, und Daisy gab einen grunzenden Laut von sich.
»Dad, es tut mir so Leid, dass ich diese Leute ins Haus gebracht habe«, sagte Kit. »Ich hatte ja keine Ahnung …«
Sein Vater sah ihn an, lange und nachdenklich. Dann nickte er. »Du kannst nichts dafür«, sagte er. »In einem Schneesturm weist man niemanden ab. Woher hättest du denn wissen sollen …«, er drehte sich um und bedachte Nigel mit einem Blick voll glühender Verachtung, » wen du da aufgegabelt hast.«
Nigel begriff sofort, wie der Hase lief, und sprang Kit bei seinem Täuschungsmanöver zur Seite. »Es tut mir aufrichtig Leid, dass ich Ihre Gastfreundschaft so missbrauche …, Kit, nicht wahr? Ja, es stimmt: Sie haben uns da draußen im Schnee das Leben gerettet, und nun bedrohen wir Sie mit Pistolen. Aber auf der guten alten Erde hat es noch nie Gerechtigkeit gegeben.«
Nun erkannte auch Elton, was gespielt wurde, und der Ausdruck grenzenloser Verblüffung schwand aus seiner Miene.
»Hätte Ihre aggressive Schwester nicht ihre Nase in unsere Angelegenheiten gesteckt«, fuhr Nigel fort, »dann wären wir ganz friedlich wieder gegangen, und Sie hätten nie erfahren, was für Schlitzohren wir sind. Aber sie hat es ja geradezu darauf ankommen lassen.«
Endlich kapierte auch Daisy, was los war.
Ein furchtbarer Gedanke schoss Kit durch den Kopf: Die sind durchaus imstande, uns alle umzubringen. Sie stehlen ein Virus, das Tausende von Menschen töten kann – warum also sollten sie zögern, eine Familie niederzuknallen? Gewiss, es war nicht ganz dasselbe: Die Vorstellung, Tausende von Menschen mit einem Virus zu töten, war ein wenig abstrakt – das kaltblütige Erschießen von Erwachsenen und Kindern mochte selbst Schwerverbrechern nicht so leicht von der Hand gehen. Dennoch – wenn sie keinen anderen Ausweg mehr sahen, war den dreien eine solche Tat ohne weiteres zuzutrauen …
Ein Schauer lief Kit über den Rücken, als er sich klar machte, dass auch er selbst auf der Abschussliste stehen konnte. Ein Glück, dass sie mich noch brauchen, versuchte er sich zu beruhigen. Nur ich kenne den Weg zu Lukes Häuschen und damit zu dem Toyota Land Cruiser. Ohne mich finden sie ihn nie … Hoffentlich vergisst Nigel das nicht. Ich muss ihn bei nächster Gelegenheit daran erinnern!
»Der Inhalt dieser Flasche ist sehr viel Geld wert«, sagte Nigel abschließend.
Und Kit fragte, um die Illusion aufrechtzuerhalten: »Was ist denn da drin?«
»Das geht Sie nichts an!«, erwiderte Nigel.
In diesem Moment klingelte Kits Handy.
Er wusste nicht, was er tun sollte. Der Anrufer war vermutlich Hamish, der ihm berichten wollte, was sich in der Zwischenzeit im Kreml zugetragen hatte. Aber wie sollte er mit Hamish sprechen, ohne sich vor seiner Familie zu verraten? Wie gelähmt stand er da, während alle Anwesenden dem Klingelton lauschten, der eine Tonfolge aus Beethovens neunter Sinfonie wiedergab.
Nigel löste das Problem, indem er sagte: »Geben Sie mir den Apparat.«
Kit reichte ihm das Handy, und Nigel nahm den Anruf entgegen. »Ja, Kit hier«, sagte er, und der schottische Tonfall war nicht einmal schlecht.
Der Anrufer am anderen Ende ging ihm offenbar auf den Leim, denn Nigel hörte ihm schweigend zu.
»Verstanden«, sagte er schließlich. »Danke.« Er beendete das Gespräch und steckte das Gerät in seine Tasche. »Da wollte Sie jemand vor drei gefährlichen Desperados warnen, die sich hier in der Nähe herumtreiben«, sagte er. »Offenbar werden sie von der Polizei mit einem Schneepflug gejagt.«
Craig wurde einfach nicht schlau aus Sophie. In der einen Minute war sie unglaublich verschämt und schüchtern – und in der nächsten wiederum draufgängerisch bis zur Peinlichkeit. Sie wehrte sich
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