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Eisfieber - Roman

Titel: Eisfieber - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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die ihm sagte, dass die Unterbrechung gar nicht so ungelegen kam. Sie hatten beinahe alles getan – nur nicht das Eine. Wenn man jetzt darauf verzichtete, es noch ein bisschen hinausschob, blieb die Vorfreude noch eine Zeit lang erhalten und versprach weitere Genüsse.
    In der Küche wurde es schlagartig still – genauso schnell, wie es vorher laut geworden war.
    »Seltsam«, sagte Craig.
    »Ich finde das unheimlich«, sagte Sophie.
    Ihre Angst machte Craig die Entscheidung leicht. Er küsste sie noch einmal auf die Lippen, dann stand er auf, zog seine Jeans hoch, schlich zu dem Loch in den Dielenbrettern und spähte hindurch.
    Er sah seine Mutter. Sie stand mit offenem Mund da und wirkte schockiert und verängstigt. Großvater wischte sich Blut vom Kinn, und Onkel Kit hielt die Hände über den Kopf. Auch drei Fremde befanden sich in der Küche. Zuerst hielt Craig sie für drei Männer, doch dann erkannte er, dass auch ein hässliches Mädchen mit kahl rasiertem Schädel dabei war. Der junge Schwarze hielt Nellie am Halsband fest und würgte sie damit. Der ältere der beiden Männer und das Mädchen hielten Pistolen in den Händen.
    »Au verdammt, was ist denn da unten los?«, murmelte Craig.
    Sophie legte sich neben ihn. Kurz darauf blieb ihr fast die Luft weg. »Sind das Pistolen?«, flüsterte sie.
    »Ja.«
    »O Gott, jetzt sitzen wir aber in der Tinte.«
    Craig dachte nach. »Wir müssen die Polizei rufen. Wo hast du dein Handy?«
    »Das hab ich in der Scheune gelassen.«
    »Verflixt.«
    »Was können wir bloß tun?«
    »Denken. Nachdenken. Ein Telefon. Wir brauchen ein Telefon.« Craig zögerte.
    Er hatte Angst. Am liebsten wäre er still liegen geblieben und hätte die Augen geschlossen – und vielleicht hätte er es sogar getan, wäre da nur nicht dieses Mädchen neben ihm gewesen. Auch wenn er noch nicht alle Verhaltensregeln kannte, wusste er, dass von einem Mann Mut erwartet wurde, wenn ein Mädchen Angst hatte, und dies um so mehr, wenn sie seine Geliebte war – oder fast. Folglich blieb ihm gar nichts anderes übrig: Zwar fühlte er sich nicht mutig, aber er musste so tun als ob.
    Wo war das nächste Telefon? »An Großvaters Bett ist ein Nebenanschluss.«
    Sophie sagte: »Ich kann gar nichts tun. Ich habe viel zu viel Angst!«
    »Du bleibst am besten hier.«
    »Okay.«
    Craig stand auf, knöpfte seine Jeans zu, schloss den Gürtel und ging zu der niedrigen Tür, die in Großvaters Privaträume führte. Er holte tief Luft, öffnete sie, kroch in den Schrank mit Großvaters Anzügen, stieß dessen Tür auf und stand im Ankleideraum.
    Das Licht brannte. Großpapas dunkelbraune, mit eingestanzten Löchern verzierte Schuhe standen auf dem Teppich, und das blaue Hemd, das er am Tag zuvor getragen hatte, lag zuoberst im Wäschekorb. Craig ging ins Schlafzimmer. Das Bett war ungemacht, als wäre Großpapa eben erst aufgestanden. Auf dem Nachttisch neben dem Bett lag aufgeschlagen eine Ausgabe von Scientific American – und daneben stand das Telefon.
    Craig hatte noch nie in seinem Leben den Notruf 999 gewählt. Was sollte er sagen? Nur im Fernsehen hatte er gesehen, wie man es anstellte. Ich muss meinen Namen und meine Adresse angeben, dachte er. Und dann? »In unserer Küche sind Männer mit Pistolen.« Das klang reichlich melodramatisch – aber vermutlich waren alle Notrufe mehr oder minder dramatisch.
    Er hob den Hörer ab. Es kam kein Freizeichen.
    Er drückte mehrmals auf die Gabel, dann horchte er wieder. Nichts.
    Er legte den Hörer wieder auf. Warum funktionierte das Telefon nicht? War es einfach nur gestört – oder hatten die Fremden die Leitung durchgeschnitten?
    Besaß Großvater ein Handy? Craig zog die Nachttischschublade auf. Eine Taschenlampe und ein Buch lagen darin, aber kein Handy. Dann fiel es ihm wieder ein: Großvater hatte ein Autotelefon, aber kein Handy.
    Craig hörte ein Geräusch im Ankleidezimmer. Sophie streckte ihren Kopf aus dem Kleiderschrank. Ihre Miene war völlig verängstigt. »Da kommt jemand!«, zischte sie, und gleich darauf hörte Craig schwere Schritte auf dem Treppenabsatz.
    Craig huschte zurück ins Ankleidezimmer, während Sophie bereits wieder auf den Dachboden zurückkroch. Er ließ sich auf die Knie fallen und krabbelte im selben Moment, da er hörte, wie die Schlafzimmertür geöffnet wurde, durch den Schrank, wand sich durch die niedrige Tür, drehte sich sofort wieder um und schloss sie leise hinter sich. Die Schranktür hatte er in der Eile nicht mehr

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