Eisige Naehe
1957 in der Branche tätig. Fahren Sie nach Frankfurt, über die Hälfte des heutigen Rotlichtviertels befand sich in seiner Hand, dazu kamen bis Mitte der sechziger Jahre ganze Straßenzüge in den besten Lagen, die auch heute noch nur von Reichen und Superreichen bewohnt werden. Alles, was er anfasste, wurde zu Gold. Ende der sechziger Jahre lernte er seine zukünftige Frau kennen, sie heirateten, 1972 wurde die erste Tochter geboren, zwei Jahre darauf die zweite. Die Ehehölle begann schon vor der Hochzeit. Sie wollte ihn nicht heiraten, aber er setzte sie massiv unter Druck ...«
»Sie hätte doch ganz einfach nein sagen können«, warf Henning ein.
»Herr Henning, wenn einer wie Schumann kommt und Druck ausübt, dann haben Sie nicht den Hauch einer Chance. Sarah Schumanns Vater war ein hochgestellter Finanzbeamter mit Doktortitel, die Mutter Hausfrau, und dennoch lebten sie eher bescheiden. Schumann drohte ihr: Sollte sie sich weigern, ihn zu heiraten, würde er sie umbringen. Auch ihre Eltern wagten es nicht, sich gegen einen wie ihn aufzulehnen, da der Vater sehr wohl wusste, mit wem er es zu tun hatte. Also gab sie nach. Die folgenden Jahre wurden zu einem einzigen Martyrium, dem sie nicht entfliehen konnte, da die Gesetze damals noch anders waren als heute. Sie hätte auch keine Möglichkeit gehabt, sich mit den Kindern abzusetzen, Schumann hatte seine Schergen überall. Ich denke, damit habe ich Ihnen einen kleinen Einblick in eine große Tragödie gegeben.«
Er hielt erneut inne, rauchte seine Zigarette zu Ende und drückte sie aus. Er trank von seinem Whiskey. »Hatten Sie sich in Frau Schumann verliebt?«, wollte Santos aus einem Gefühl heraus wissen. Albertz lachte leise auf und nickte. »Oh ja, ich hatte mich in sie verliebt. Ich dachte immerzu, diese Frau ist einmalig, so wunderschön, so intelligent, dazu dieser Charme und dieses Charisma, aber ich wusste, es würde nie eine Zukunft für uns geben. Das ist meine ganz persönliche Tragödie, die ich bis heute nicht verwunden habe. Eines Tages jedenfalls beschloss sie in ihrer Verzweiflung, sich ihres Mannes zu entledigen, weil sie, wie bereits erwähnt, panische Angst hatte, er könnte sich an den Töchtern vergreifen. Sie hat mit mir nicht darüber gesprochen, wir hatten uns ja auch nur ein paarmal gesehen, zu selten, als dass sie Vertrauen zu mir hätte schöpfen können. Am 17. Oktober 1984 wurde ihr Mann erschossen. Wir konnten direkt nach der Polizei und der Staatsanwaltschaft mit ihr sprechen. Für meinen Partner war die Sache damit abgehakt, ich aber ging noch einmal allein zu ihr. Da beging ich den Fehler meines Lebens, sonst hätten wir vielleicht doch eine Chance gehabt. Ich sagte ihr, ich wisse, dass sie hinter dem Tod ihres Mannes stecke und sie mir ruhig die Wahrheit sagen könne, ansonsten ...«
Als er nicht weitersprach, fragte Santos nach: »Ansonsten was?«
»Ansonsten hätten wir alle Mittel, sie für den Rest ihres Lebens hinter Gitter zu bringen, und sie würde ihre Töchter niemals wiedersehen. Ich könnte mich noch heute ohrfeigen für das, was ich damals zu ihr gesagt habe. Ich begreife selbst nicht, warum ich so hart zu ihr war, ich liebte sie und tat ihr so weh. Ich sagte ihr auf den Kopf zu, dass sie jemanden engagiert habe, um ihren Mann beseitigen zu lassen. Ich sagte ihr auch, dass dieser Jemand hervorragende Arbeit geleistet habe und wir dringend einen solchen Mann suchten. Wissen Sie, was sie antwortete? Sie sagte lapidar: Ja, ich habe meinen Mann umbringen lassen. Sie dürfen mich jetzt verhaften.« Albertz seufzte auf. »Mein Gott, ich hatte niemals vor, sie zu verhaften, ich weiß nicht, was mich geritten hat, sie so in die Enge zu treiben. Ich hatte doch keinerlei Interesse daran, sie ins Gefängnis zu bringen, im Gegenteil, ich war ja froh, dass dieses Schwein endlich tot war. Aber nun war es zu spät, und hätte ich jemals die Möglichkeit gehabt, mit ihr zusammenzukommen, sie war vertan. Innerhalb weniger Sekunden hatte ich alles verspielt. Nun, ich will nicht jammern, das steht mir nicht zu, wahrscheinlich wären wir so oder so nie ... Gut, abgehakt. Ich fragte sie nach dem Namen des Mannes, der so perfekt arbeitet. Doch sie verschloss sich wie eine Auster. Ich bedrängte sie, ich sagte ihr mehrfach, dass wir einen wie ihn dringend brauchen könnten. Schließlich machte sie mir einen Vorschlag: Sie würde mit dem Killer Kontakt aufnehmen, aber seine Identität niemals preisgeben. Niemals. Sie hat ihr Wort
Weitere Kostenlose Bücher