Eisige Naehe
Eckernförder Straße. »Was hat Klaus noch gesagt?« »Er hat die Fremd-DNA bei Freier gefunden. Also war es Mord, aber ein sehr raffinierter, wenn keine andere Todesursache als Herzinfarkt festgestellt werden kann. Da räumt jemand auf, und ob du's glaubst oder nicht, ich bin davon überzeugt, die Schumann weiß tatsächlich als Einzige, wer dieser ominöse Killer ist.« »Und Albertz?«
»Ich glaube fast, dass er uns in diesem Punkt die Wahrheit gesagt hat. Wenn er wüsste, wer das Phantom ist, hätte er schon längst seine Bluthunde Friedmann und Müller auf es angesetzt. Der tappt im Dunkeln, ich habe aber keine Ahnung, was er vorhat. Ich lass mich überraschen, denn er wird definitiv wieder Kontakt zu uns aufnehmen, weil er uns für irgendwas braucht. Gehen wir rein, mir knurrt der Magen.«
Alles in Santos' Kopf drehte sich. Sie sah sich nicht mehr in der Lage, einen klaren Gedanken zu fassen. Ich bin bestimmt unterzuckert, dachte sie, während sie hinter Henning das Restaurant betrat, in dem etwa die Hälfte der Tische besetzt war. Sie wählten einen Tisch in einer ruhigen Ecke und bestellten jeweils eine Cola und Wiener Schnitzel mit Pommes frites und Salat. »Lisa, mir ist da gerade ein Gedanke gekommen. Hörst du mir zu?«, fragte Henning, da Santos nur auf die Tischdecke starrte. »Ja, klar«, murmelte sie.
»Gut. Warum sucht Albertz nicht die Schumann auf und versucht mit aller Macht, den Namen und Aufenthaltsort von dem Auftragskiller rauszukriegen? Er könnte es auch unter Gewaltandrohung machen oder die Bluthunde als Verstärkung mitnehmen. Warum tut er es nicht?« »Weil er sie liebt und vielleicht noch hofft, wer weiß.« »Albertz ist es gewohnt, Macht über andere auszuüben. Bei uns hat er's auch versucht, und zwar mittels Manipulation. Ein paar fiese Geschichten über andere, er selbst gaukelt uns den Saubermann vor, der ein paar kleinere Verfehlungen zugibt, um nicht zu sauber zu wirken, aber ansonsten steht er laut eigener Aussage auf der Seite des Gesetzes. Soll ich dir was sagen: Das kauf ich ihm nicht ab. Er steht so weit im illegalen Bereich, dass ihm keiner was anhaben kann. Ich sage nur: rechtsfreier Raum. Ich habe da immer so ein Bild vor Augen, hier die Erde und dort die endlose Weite des Weltraums. Wir stehen hier auf der Erdkugel, und er und seine Helfer und Helfershelfer schweben weit entfernt im Weltraum, und wir kommen niemals an sie heran. Sie verfügen über alle Mittel, um jeden zu täuschen, beobachten uns von oben und lachen sich ins Fäustchen.«
»Sören, lass mich erst was essen, ich bin im Augenblick nicht sonderlich aufnahmefähig.«
»Nur eins noch: Was hältst du davon, wenn wir uns unauffällig vor Albertz' Haus postieren und ihn abfangen, sobald er nach Hause kommt?« »Was soll das bringen?«
»Es geht um das Überraschungsmoment, denn noch weiß er ja nicht, was wir über ihn wissen.« »Einverstanden.«
Während sie aßen, unterhielten sie sich über Alltägliches. Ablenkung. Sie spürten, dass bald wieder Ruhe in Kiel einkehren würde, aber erst mussten sie einen Sturm überstehen. Doch wie heftig der werden würde, ahnten sie nicht.
DONNERSTAG, 11.25 UHR
Albertz parkte fünfzig Meter von Sarah Schumanns Haus entfernt. Er blieb ein paar Minuten im Wagen sitzen und überlegte, ob er umkehren sollte. Schließlich zog er entschlossen den Zündschlüssel ab, stieg aus und ging mit langsamen Schritten auf das Haus zu. Sie würde sich wundern, wenn er mit einem Mal vor ihrer Tür stand, nachdem sie sich zuletzt an Weihnachten in Frankfurt gesehen hatten. Sie würde erstaunt sein, woher er ihre Adresse hatte. Doch das war ihm gleich, er würde von nun an keine Rücksicht mehr auf sie nehmen. Er wollte gerade die Klingel betätigen, als sie aus dem Haus trat, schön und elegant wie eh und je. Aber die Zeiten, in denen er sich nach ihr verzehrt hatte, waren lange vorbei, zu Hause wartete eine rassige, fast dreißig Jahre jüngere Brasilianerin auf ihn, die ihm jeden Wunsch von den Augen ablas. Und doch war Sarah für ihn nach wie vor eine der aufregendsten Frauen, denen er je begegnet war. Vielleicht sogar die aufregendste überhaupt. Schön, sinnlich, erotisch, verführerisch. »Sarah«, rief er ihr durch das Tor zu. Sie war auf dem Weg zur Garage und drehte sich um, ihre Miene zeigte keine Regung. »Ich habe keine Zeit.«
»Oh, oh, du hast sogar eine Menge Zeit. Komm ans Tor, oder willst du, dass halb Kiel mithört?«, sagte er leise und dennoch
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