Eisige Naehe
»Und mir tut es leid, dass du diese Verabredung verpassen wirst. Du bleibst hier, bis du eingesehen hast, dass du gegen mich keine Chance hast.«
»Raus!«, fuhr sie ihn an, kurz davor, ihre Beherrschung zu verlieren, aber diesen Triumph wollte sie ihm nicht gönnen. »Lass dich nie wieder hier blicken ... Wenn du glaubst, dass er in der Stadt ist, bist du auf dem falschen Dampfer.«
»Ach ja, woher willst du das wissen, wenn du doch schon lange keinen Kontakt mehr zu ihm hattest?« Sarah Schumann seufzte auf. »Also gut, was das angeht, habe ich nicht ganz die Wahrheit gesagt. Ich habe Kontakt zu ihm und weiß deshalb, dass er nicht in Kiel ist. Er befindet sich auf der anderen Seite des Globus, wo genau, hat er mir nicht verraten. Er ist in einem Auftrag unterwegs, den er nicht von euch erhalten hat, aber das ist für dich ja nichts Neues.«
Albertz verzog den Mund zu einem diabolischen Lächeln. »Netter Versuch, aber vergebliche Liebesmüh. Ich frage mich, warum du ihn schützt. Habt ihr ein Verhältnis ? Hat meine süße Sarah etwa ein Verhältnis mit einem Auftragskiller? Meine liebe, liebe Sarah? Du kannst es mir ruhig sagen, ich bin nicht mehr scharf auf dich. Inzwischen bist du mir zu alt, auch wenn du für deine sechzig Jahre noch recht passabel aussiehst. Nein, du siehst nicht nur passabel, du siehst geradezu phantastisch aus. Ich könnte mir tatsächlich vorstellen, dass ihr ein Verhältnis habt. Ihr trefft euch, lasst es im Bett so richtig krachen, und dann trennen sich eure Wege wieder. Oder auch nicht. Aber auch das werde ich noch herauskriegen.«
»Und wenn, es würde dich nicht das Geringste angehen. Aber lass dir gesagt sein: Ich habe weder ein Verhältnis mit einem Killer noch mit dir. Du bist nur eine miese kleine Ratte, die alles und jeden manipuliert.« Sie hielt kurz inne, denn sie merkte, dass sie einen Schritt zu weit gegangen war. Doch bereits im nächsten Augenblick fuhr sie entschlossen und mutig fort: »Ich weiß nicht, warum das Leben mich so behandelt hat, aber ich finde, ich habe das nicht verdient. Erst mein werter Göttergatte, dann du und dein verfluchter Verein. Ihr seid der Abschaum dieser Welt. Ihr herrscht aus dem Dunkeln heraus, wie die Kanalratten«, stieß sie bitter hervor in dem Versuch, ihre Angst mit Worten zu überspielen, die sie normalerweise nicht benutzte.
Denn sie hatte Angst, seit Albertz tatsächlich bei ihr aufgetaucht war, wie Hans Schmidt erst vor wenigen Stunden prophezeit hatte. Sie sah keine Möglichkeit, sich gegen ihn zu wehren, sie hatte nie eine Chance gegen ihn gehabt. Er war ein Teufel in Menschengestalt. Mit einem Mal kamen ihr Träume aus den letzten Tagen und Wochen wieder in den Sinn, in denen sie sich ständig mit dem Sterben konfrontiert gesehen hatte, auch wenn es hieß, Todesträume bedeuteten nie den Tod, sondern einen Neuanfang. Aber die Träume waren düster und deprimierend gewesen, ohne einen Hauch von Hoffnung. Dazu kam, dass in ihrer Familie niemand alt geworden war: Ihr Vater war mit achtundfünfzig einem Herzinfarkt erlegen, ihre Mutter mit einundsechzig bei einem Autounfall ums Leben gekommen, ihre Tante war mit siebzig einem brutalen Verbrechen zum Opfer gefallen, ihr Onkel kurz darauf qualvoll an Krebs gestorben. Auch sie würde diesen Teufelskreis des Jungsterbens nicht durchbrechen, da war sie sich sicher, jetzt mehr denn je. Und doch hatte sie Angst, denn das Leben war vor allem in den letzten zehn Jahren auch schön gewesen, ganz speziell die letzte Nacht mit Hans Schmidt. Aber jetzt war sie mit Albertz in ihrem orientalisch eingerichteten Wohnzimmer, und eine unerträgliche Spannung lag über ihnen.
Albertz saß lässig auf dem Sofa, die Augen starr auf Sarah Schumann gerichtet. Er hatte scheinbar geduldig zugehört, bis er sagte: »Bist du fertig?«
»Noch längst nicht, aber ich habe nicht vor, mich länger mit dir abzugeben. Ich werde jetzt aufstehen und gehen, und du wirst mich nicht daran hindern. Oder willst du mich umbringen?«
»Ich weiß es nicht, liebe Sarah. Ich weiß es wirklich nicht. Gib mir noch ein wenig Zeit, damit ich es mir überlegen kann«, antwortete er wieder mit diesem diabolischen Lächeln, wobei er sich mit der Zunge über die Unterlippe fuhr.
»Du bist so ein elender, zynischer Menschenverachter, wie ich noch keinen getroffen habe. Dagegen war Manfred geradezu ein Lamm. Wie wird man so wie du? Erklär's mir. Ist es das Geld, ist es Macht oder eine Kombination aus beidem? Was ist
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