Eisige Naehe
wollten. Bruhns und Klein verzeihe ich ihm ja noch, aber Bernhard, das war einer zu viel. Bernhard war für mich wie ein Bruder, und er war ein logistisches Genie, das kaum zu ersetzen sein wird. So etwas macht niemand ungestraft, auch wenn es unser bester Mann ist.«
»Das ist euer Problem und nicht meins. Ich wiederhole - er hat keinen Grund, sich gegen euch zu stellen, ihr habt so schon mehr als genug Feinde.«
»Tja, ich muss dich enttäuschen, ich habe Beweise, die eindeutig belegen, dass er meine Leute umgebracht hat. Nicht, dass ich um sie weinen würde, aber ich fühle mich persönlich angegriffen ...« »Was für Beweise?«
»Er hat seine Visitenkarte an den Tatorten hinterlassen, und diese Visitenkarte gibt es nur ein einziges Mal auf dieser Welt. So, jetzt weißt du's. Also, sprich mit ihm und richte ihm meine Botschaft aus.«
An der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ach ja, das hätte ich über all dem Vergnügen doch beinahe vergessen: Du hast bis morgen Abend Zeit, danach wirst du dich gut vor mir verstecken müssen. Ich hasse Zeitdruck, aber in diesem Fall ist er notwendig. Noch was - du bist im Bett nicht mehr das, was du mal warst. Ist wohl doch das Alter, liebe Sarah. Wir hören voneinander.« »Warte. Die beiden Polizisten, die vorhin hier waren, hast du die als Vorhut geschickt, um zu sehen, ob ich zu Hause bin?«
»Welche Bullen?«
»Ich bitte dich, du wirst doch wohl wissen, wen du schickst. Eine Frau Santos und ein Herr Henning. Klingelt's jetzt?«
»Ach, die beiden. Nein, die habe ich nicht geschickt, die arbeiten bei der Mordkommission. Was wollten sie von dir?«
»Informationen über Bruhns.«
»Die haben mit mir nichts zu tun und umgekehrt«, log er. »Das war Zufall. Adieu oder auf Wiedersehen, es liegt ganz bei dir. Nun mach dir einen schönen Tag und lass es dir gutgehen.«
Nachdem Sarah gehört hatte, wie die Haustür ins Schloss fiel, stand sie auf. Sie ging ins Bad und stellte sich unter die Dusche, sie fühlte sich schmutzig wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Tränen flössen ihr über das Gesicht und vermischten sich mit dem Wasser, sie kauerte sich in die Ecke der Duschkabine, die Beine angezogen, die Arme um die Knie geschlungen. Sie weinte oft, aber nie in Gegenwart anderer. Alle sollten denken, dass sie die starke Sarah Schumann war, die nichts und niemand aus der Bahn werfen konnte. Dabei war sie unendlich verletzlich, doch sobald jemand bei ihr war, zeigte sie Stärke, Durchsetzungsvermögen und einen Stolz, den manche als Arroganz deuteten, dabei war es nur ein Schutzschild gegen mögliche Angriffe von außen, von denen sie schon so viele erlebt hatte. In Wahrheit war sie nicht stolz, sie war es nie gewesen und würde es nie sein, denn es gab nichts, worauf sie stolz sein konnte. Es gab einiges, woran sie sich freute, allen voran ihre Töchter, die sie bis an ihr Lebensende mit Zähnen und Klauen verteidigen würde, genau wie ihre Enkelkinder, in denen sie sowohl sich als auch deren Mütter sah.
Der Einzige, der von ihrer Verletzbarkeit und ihrer Einsamkeit wusste, war Hans Schmidt, auch wenn er es nie ausgesprochen hatte. Doch sie spürte es, sie meinte, seine Gedanken lesen zu können - zumindest, was sie betraf. Sie weinte minutenlang, während das sehr warme, fast heiße Wasser über ihren Körper rann. Schließlich erhob sie sich, stellte das Wasser aus. Das Brennen in ihrem Unterleib hatte ein wenig nachgelassen, sie trocknete sich ab, warf die sündhaft teure Unterwäsche in den Papierkorb, föhnte sich das Haar und legte Make-up auf. Nachdem sie sich angezogen hatte, ging sie hinunter in den Weinkeller und sagte: »Sabine, Sie können aufhören. Nehmen Sie sich für den Rest des Tages frei, und morgen brauche ich Sie auch nicht. Es ist ein bezahlter Urlaub, ich möchte heute und morgen alleine sein.« »Frau Schumann, ich freue mich natürlich darüber, aber ...«
»Stellen Sie keine Fragen! Am Samstag erwarte ich Sie wieder hier. Danke.«
Sarah Schumann wandte sich um und ging ins Wohnzimmer, setzte sich in ihren Sessel und überlegte. Nach einigen Minuten griff sie zum Telefon, das ausschließlich für Gespräche mit Hans Schmidt bestimmt war. Sie wählte seine Handynummer, nach dem zweiten Läuten nahm er ab.
»Ich muss dich sehen. Dringend.« »Was ist passiert?«
»Nicht am Telefon. Komm her, aber sei vorsichtig. Ruf mich an, wenn du hier bist, ich mache dann das hintere Tor auf und die Kellertür. Ich werde über sämtliche Kameras prüfen, ob
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