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Eisige Naehe

Eisige Naehe

Titel: Eisige Naehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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kaum Zutritt hatte. Er konnte sich nicht erinnern, jemals in einem solchen Haus gewesen zu sein. Victoria Bruhns sah ihn fragend an und sagte schließlich: »Kommen Sie doch bitte mit ins Wohnzimmer, ich möchte meine Tochter nicht zu lange allein lassen, sie ist erst vorgestern ein Jahr alt geworden.«
    Henning und Santos folgten ihr in einen Wohnbereich, der mindestens hundert Quadratmeter maß. Auch hier nur erlesenste Ausstattung, vom Boden bis zur Decke, doch nicht überladen, nicht protzig, eher schlicht gehalten, aber alles vom Feinsten.
    »Das war bestimmt eine große Feier«, meinte Santos. »Nein, nur meine Eltern und meine Schwester waren hier«, antwortete Victoria Bruhns mit einem Hauch Traurigkeit in der Stimme. »Und Ihr Mann?«
    »Er natürlich auch, aber er musste schon am frühen Nachmittag wieder ins Studio, obwohl er eigentlich ... Das tut nichts zur Sache. Er sollte trotzdem längst zu Hause sein.«
    Sie vermied, ein zweites Mal nachzufragen, ob etwas mit ihrem Mann war, als wolle sie einer unangenehmen Antwort ausweichen. Stattdessen ging sie zu ihrer Tochter, die inmitten einer opulent eingerichteten Spiellandschaft saß und so beschäftigt war, dass sie die Beamten gar nicht wahrnahm, nur ein kurzer Blick, bevor sie sich wieder ihrem Spiel widmete. Sie hatte für ihr Alter ungewöhnlich volles, blondes Haar und braune Augen, das Abbild ihrer Mutter. Ein bildhübsches Mädchen, das irgendwann eine bildhübsche junge Dame sein würde. Wie ihre Mutter - oder wie Kerstin Steinbauer. Mach nur nicht denselben Fehler wie sie, dachte Santos.
    »Warum sind Sie hier? Dazu noch an einem Sonntagnachmittag«, fragte Victoria Bruhns schließlich doch und nahm die Kleine auf den Arm. »Schau mal, Pauline, das sind Leute von der Polizei. Du wirst später hoffentlich nie etwas mit ihnen zu tun haben«, sagte sie und lächelte ihre Tochter liebevoll an. »Sie ist mein Ein und Alles, ein Leben ohne sie könnte ich mir nicht mehr vorstellen.« »Das kann ich gut verstehen, Ihr Mann ist bestimmt auch ganz stolz auf seine Tochter«, erwiderte Santos und lächelte Pauline an, die ihr Gesicht auf die Schulter ihrer Mutter legte. Sie wurde ernst: »Aber Ihr Mann ist auch der Grund, weshalb wir hier sind. Vielleicht wäre es besser, wenn wir uns alle setzen würden.« »Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen noch keinen Platz angeboten habe. Bitte!« Victoria Bruhns deutete auf die opulente Sitzgarnitur. Henning und Santos setzten sich auf das weiße Ledersofa, während sich die Hausherrin auf dem Sessel schräg gegenüber niederließ. Pauline saß auf ihrem Schoß, den Kopf an die Brust der Mutter gelegt.
    »Was ist mit Peter? Normalerweise kommen Polizisten, wenn wieder mal irgendwelche Typen unser Haus belagern. Was ist passiert?« Nervös neigte sie den Kopf ein wenig zur Seite.
    »Frau Bruhns, wir müssen Ihnen leider mitteilen, dass Ihr Mann tot ist«, antwortete Santos und versuchte, so viel Mitgefühl wie möglich in ihre Stimme zu legen, gleichzeitig beobachtete sie die erste Reaktion der Ehefrau. Doch da war keine, es war, als hätte die junge Frau es zwar gehört, aber noch nicht aufgenommen. Worte, die in dem riesigen Raum verhallt waren. »Wir kommen gerade aus Ihrem Haus in Schöneberg, wo er gefunden wurde.«
    Victoria Bruhns sagte nichts, ihr Gesicht war wie eine Maske, sie streichelte ihrer Tochter durch das Haar und drückte sie fest an sich, als suchte sie bei ihr Halt. Keine Tränen, kein Aufschrei, nichts. Es war eine bedrückende Stille, die sich wie ein riesiges Laken über alles gelegt hatte. Henning und Santos ließen ihr Zeit, das eben Gehörte aufzunehmen, obwohl es mit Sicherheit Tage, wenn nicht Wochen oder Monate dauern würde, bis die junge Frau diese Nachricht wirklich begriffen und verinnerlicht hatte.
    Doch mit einem Mal sagte Victoria Bruhns mit vollkommen ruhiger Stimme, während sie von Santos zu Henning schaute: »Ich habe es kommen sehen. Ob Sie's glauben oder nicht, aber ich habe damit gerechnet, dass eines Tages so etwas passieren würde. Wie ist er gestorben? Ein Unfall? Oder wurde er umgebracht?« Die letzte Frage stellte sie leise und doch so, als käme für sie nichts anderes in Betracht. Keine Frage, eher eine Feststellung.
    »Wie kommen Sie darauf, dass er umgebracht worden sein könnte?«
    »Entschuldigen Sie, wenn ich nicht in Tränen ausbreche oder herumschreie, aber ...« Sie trug Pauline wieder zur Spielecke, flüsterte ihr etwas zu und streichelte ihr übers Haar. Sie

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