Eisige Naehe
winziges Stück vom Kuchen abbekommen und in den Medien erwähnt werden.«
Henning zuckte die Schultern. »Wisst ihr was? Das interessiert mich einen feuchten Dreck. Bruhns interessiert mich eigentlich auch relativ wenig, es geht mir um die Kleine. Warum musste sie dran glauben? Okay, sie hat mit einem älteren Mann gevögelt oder hatte es vor, aber das ist noch längst kein Grund, sie umzulegen, es sei denn, ein eifersüchtiger Freund hat die Morde begangen, was ich aber für ziemlich unwahrscheinlich halte. Wie hätte er denn auf das Grundstück gelangen sollen? Nein, das Motiv liegt woanders. Wir warten noch ab, was die KTU und Jürgens uns zu sagen haben. Für heute reicht's. Es sei denn, euch fällt noch was ein.«
»Wir machen Schluss«, sagte Harms mit Blick auf die Uhr. »Morgen legen wir richtig los. Ach ja, bevor ich's vergesse, Rüter wird heute um sieben eine Pressekonferenz abhalten. Er meint, die Öffentlichkeit hat das Recht, zu erfahren, was mit Bruhns passiert ist.« »Ja, ja, die Öffentlichkeit«, sagte Henning mit einem hämischen Lächeln. »Ich sehe schon die Schlagzeilen vor mir: Starproduzent Peter Bruhns kaltblütig ermordet. Oder so ähnlich. Ich könnte kotzen!« »Du weißt ja, wo die Toiletten sind«, bemerkte Harms emotionslos. »Halt dich zurück, wir sind nur die Ermittler und damit jederzeit austauschbar. Kapiert?« »Kapiert, Boss. Ich will mir noch mal die Fotos ansehen. Ich habe zwar vorhin schon versucht, mir ein Bild zu machen, aber irgendwas am Tatort hat mich gestört, ohne dass ich sagen könnte, was. Lisa, was haben wir übersehen?« Sie dachte eine Weile nach. »Ich weiß nicht, was du meinst.«
Henning setzte sich auf die Tischkante und sagte: »Schau mal, das Grundstück in Schönberg ist zwar nicht ganz so massiv gesichert wie das in Kiel, aber es ist für einen Einbrecher trotzdem ziemlich schwer, dort reinzukommen. Da wir einen erweiterten Suizid so gut wie ausschließen können, bedeutet das doch, dass irgendjemand Zutritt zum Haus gehabt haben muss, den Bruhns kannte. Jemand, dem Bruhns vertraute, dem er nie etwas Böses unterstellt hätte. Ein Freund, der am Ende gar nichts Freundliches im Sinn hatte. Oder jemand, der sich über einen längeren Zeitraum Bruhns gegenüber als Freund ausgab, obwohl er von Anfang an vorhatte, ihn umzubringen. Das würde auch erklären, warum die Überwachungsbänder verschwunden sind. Der Täter muss sich im Haus ausgekannt haben, denn das Aufzeichnungsgerät war relativ gut versteckt.«
»Alles gut und schön«, warf Santos ein, »aber Bruhns hatte doch ganz offensichtlich vor, mit dieser Kerstin eine Nummer zu schieben, und da lässt man doch nicht mal den besten Freund mitten in der Nacht ins Haus.« »Wer sagt uns denn, dass Bruhns die Kleine mitgebracht hat? Vielleicht war es ja auch unser großer Unbekannter. Hier sind noch viel zu viele Fragen offen, als dass man eine Richtung erkennen könnte. Ich will wissen, wann Bruhns gestern Abend Hamburg verlassen hat, wann er in Kiel beziehungsweise in Schönberg angekommen ist, ich will wissen, ob die junge Frau mit ihm kam oder ob er Besuch erwartet hat, von einer oder mehreren Personen. Ich will über jede Sekunde Bescheid wissen, die er von gestern Abend bis zu seinem Tod verbracht hat. Dann will ich wissen, was für ein Mensch Bruhns gewesen ist, wer seine Feinde waren, seine Freunde, seine Mitarbeiter und so weiter und so fort. Ich will alles, alles, alles wissen. Nur so kommen wir dem Täter auf die Spur.« »Oder der Täterin«, sagte Santos. »Seine Frau ist ja ganz nett, aber du weißt so gut wie ich, was Hass bei Frauen bewirken kann. Oder hast du sie von deiner Liste schon gestrichen? Sie ist bildhübsch, attraktiv ...« »Lisa, red nicht so einen Quatsch! Aber wenn sie tatsächlich die halbe Nacht mit ihrer Schwester telefoniert hat, kann sie's ja wohl schlecht gewesen sein. Es sei denn, sie hat jemanden angeheuert, ihren Mann um die Ecke zu bringen.« Er dachte einen Moment nach. »Was ich aber nicht glaube. Hast du dir die Frau mal genau angeschaut? Die wäre meines Erachtens nicht fähig, ihren Mann von einem Auftragskiller beseitigen zu lassen, auch wenn sie ihn noch so sehr hasst. Außerdem würde sie ihre Tochter niemals im Stich lassen. Hast du gesehen, wie sie mit ihr umgegangen ist? Mit Zähnen und Klauen würde sie die verteidigen. Diese Frau ist eine Kämpferin, aber ganz sicher keine Mörderin. Dass sie nicht die trauernde Witwe rausgehängt hat, spricht
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